efms Migration Report
September 2003 | | | | |
Vermittlungsausschuss sucht
Kompromiss im Streit um das Zuwanderungsgesetz Nachdem das von der
Bundesregierung geplante Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung im Juli 2003
keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hat, befasst sich jetzt der Vermittlungsausschuss mit
dem rot-grünen Gesetzesvorhaben. Auf der ersten Sitzung des Ausschusses wurde
zunächst eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Länder und aller
Bundestagsfraktionen gebildet, die unter dem Vorsitz des saarländischen
Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) im Oktober mit der Aushandlung von
Kompromissvorschlägen im Streit um ein zukünftiges Zuwanderungsgesetz
beginnen soll. Vertreter der Opposition äußerten sich im Vorfeld der
Verhandlungen überwiegend skeptisch über die Aussichten auf eine Einigung mit
der rot-grünen Koalition: Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang
Bosbach (CDU), der auch Mitglied der Arbeitsgruppe ist, sieht nur dann gute Chancen
für einen Konsens mit den Regierungsparteien, wenn diese zu "substanziellen
Änderungen" bereit sind. Ähnlich wie der Bayerische Staatsminister
für Bundesangelegenheiten, Reinhold Bocklet (CSU), begründet auch der
FDP-Innenexperte Max Stadler seine Skepsis mit der aktuell schwierigen Lage am deutschen
Arbeitsmarkt. Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der
Grünen-Bundestagsfraktion und ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe, betonte erneut,
seine Partei sei zu "vernünftigen Gesprächen" bereit, zugleich wies er
aber darauf hin, dass mit Zugeständnissen der Grünen nur gerechnet werden kann,
wenn am Ende eine Verbesserung der aktuellen Gesetzeslage stehe. Uneinigkeit in
Fragen der gesetzlichen Regelung von Zuwanderung und Integration besteht auch innerhalb der
Unionsparteien: Neben den 138 Änderungsanträgen, die die Unionsfraktion schon
im Vorfeld angekündigt hat, liegt auch eine niedersächsische Bundesratsinitiative
vor, mit der einige CDU-Innenminister der Länder ein reines Integrationsgesetz,
abgekoppelt vom Zuwanderungsgesetz, anstreben; ein solcher Gesetzesvorstoß wird
jedoch von Peter Müller (CDU) ebenso wenig unterstützt wie von der
Parteivorsitzenden der CDU, Angela Merkel.
dpa 22.09.03 // Financial Times Deutschland 25.09.03 // Handelsblatt
24.09.03 // SZ 24.09.03
Bundesverfassungsgericht:
Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen nur auf Grundlage gesetzlicher
Regelungen Das Bundesverfassungsgericht hat im sog. "Kopftuchstreit"
mit einer knappen Mehrheit von fünf zu drei Richterstimmen entschieden, dass die
Landesregierungen muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches im Schulunterricht
nur auf einer "hinreichend bestimmten" gesetzlichen Grundlage untersagen
können. Damit erzielt die aus Afghanistan stammende Klägerin Fereshta Ludin, die
seit 1987 in Deutschland lebt und seit acht Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt, einen ersten Teilerfolg, nachdem ihre Klage in allen vorausgegangenen Instanzen
abgewiesen wurde. Nach ihrem Lehramtsstudium und Referendariat war ihr vom Land
Baden-Württemberg die Übernahme in den staatlichen Schuldienst verweigert
worden, da sie sich aus religiösen Gründen geweigert hatte, ihr Kopftuch
während des Unterrichts abzunehmen; daraufhin hatte Ludin, die derzeit in einer privaten
islamischen Grundschule in Berlin unterrichtet, Klage gegen die baden-württembergische
Landesregierung eingereicht. Da in Baden-Württemberg - wie in allen anderen
Bundesländern - derzeit entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen, hätte der
Klägerin nach Auffassung der Mehrheit der Karlsruher Richter die Übernahme in
den öffentlichen Schuldienst nicht untersagt werden dürfen. Mit dem Urteil des
obersten deutschen Gerichts wird den einzelnen Landesregierungen die Aufgabe zugewiesen, in
den "unvermeidlichen Spannungsverhältnis" zwischen Religionsfreiheit von
Lehrer/innen, der staatlichen Neutralitätspflicht, dem Erziehungsrecht der Eltern und der
"negativen Religionsfreiheit" der Schüler einen "zumutbaren
Kompromiss" zu finden. Darüber sei nicht von Behörden und Gerichten,
sondern vom Gesetzgeber auf Landesebene zu entscheiden. Eine andere
Auffassung äußerten dagegen die drei Karlsruher Verfassungsrichter, die sich dem
Mehrheitsvotum des Zweiten Senats des Gerichts nicht anschlossen: Mit ihrer Betonung des
Neutralitäts- und Mäßigungsgebots im öffentlichen Dienst sprachen
sie sich für ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an staatlichen
Schulen aus. Nach dem Urteil kündigten die Landesregierungen von Bayern,
Berlin, Hessen und Niedersachsen an, gesetzliche Regelungen zum Verbot des Kopftuchs
für muslimische Lehrerinnen zu schaffen. In Nordrhein-Westfalen sieht man einen
solchen "Handlungsbedarf" aktuell nicht; dort will man das Tragen eines
Kopftuches nach Einzelfallprüfung weiterhin zulassen. Ähnliche Signale kommen
auch aus Hamburg und Rheinland-Pfalz. Demzufolge erscheint eine bundesweit einheitliche
Regelung derzeit äußerst unwahrscheinlich. (Az: 2BvR 1436/02)
dpa 24.09.03 // Spiegel online 24.09.03 // NZZ 25.09.03 // Welt 26.09.03
// Focus 29.09.03 // Welt 30.09.03
"Fall Kaplan" veranlasst Union zu Forderungen nach
härterem Umgang mit ausländischen Straftätern Nachdem das
Kölner Verwaltungsgericht der Klage des Islamistenführers Metin Kaplan gegen
dessen Abschiebung in die Türkei stattgegeben hat, ist die Bundesregierung derzeit
bemüht, die Hindernisse, die einer Abschiebung entgegenstehen, zu beseitigen. Dazu hat
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in Gesprächen mit seinem türkischen
Amtskollegen Abdulkadir Aksu und dem türkischen Justizminister Cemil Cicek nach
Angaben des deutschen Innenministeriums "weit reichende Zusagen" eingeholt,
wonach Kaplan in der Türkei ein rechtsstaatliches Verfahren erwarten würde.
Beide türkischen Minister haben zugesichert, dass in dem Prozess, der dem Islamisten in
der Türkei wegen Hochverrats droht, keine durch Folter rechtswidrig erwirkten Aussagen
verwendet würden. Der "Fall Kaplan" hat unterdessen eine
Diskussion über den Umgang mit straffällig gewordenen Ausländern
ausgelöst. So forderte der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang
Bosbach (CDU), eine Verschärfung des Ausländerrechts, um eine Ausweisung
nichtdeutscher Straftäter nicht wie bisher erst bei einer verhängten Haftstrafe von
über drei Jahren, sondern bereits bei einer einjährigen Freiheitsstrafe zu
ermöglichen. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) spricht sich
dafür aus, ausländische Straftäter, gegen die bereits eine
Ausweisungsverfügung vorliegt, konsequenter und umgehend nach ihrer Verurteilung
durch ein deutsches Gericht in ihre Heimatländer abzuschieben; jedoch müsse auch
dort, so Beckstein, die Vollstreckung der Haftstrafe sichergestellt sein. Der bayerische
Innenminister schlug des Weiteren vor, Drittstaaten durch finanzielle Unterstützung dazu
zu bewegen, ausländische Straftäter aufzunehmen. Ein Sprecher des
Bundesinnenminsteriums erklärt jedoch, die Bundesregierung sei zu solchen Zahlungen
an Drittstaaten nicht bereit.
Welt am Sonntag 31.08.03 // dpa 15.09.03 // dpa 17.09.03 // SZ 17.09.03
// Pressemitteilung Bayerisches Staatsministerium 19.09.03 // Information BMI 20.09.03 // NN
20.09.03 // SZ 26.09.03
Bundesverwaltungsgericht
konkretisiert Sprachanforderungen für Spätaussiedler Das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Sprachanforderungen, die Spätaussiedler
gemäß Bundesvertriebenengesetz als Voraussetzung für ihre Aufnahme in
Deutschland noch vor ihrer Einreise nachweisen müssen, konkretisiert. Demnach sind
teilweise stockendes Sprechen oder grammatikalische Fehler keine hinreichenden
Gründe, den Aufnahmeantrag eines Spätaussiedlers abzulehnen. Erforderlich
sei vielmehr die Fähigkeit, ein Gespräch über "alltägliche
Situationen und Bedürfnisse", "einfache Lebenssachverhalte aus dem
familiären Bereich" oder die Berufsausübung "einigermaßen
flüssig(.)" zu führen. Mit dem Urteil gab das Gericht einer
deutschstämmigen Frau aus Kasachstan Recht, deren Aufnahmeantrag mit der
Begründung der Behörde abgelehnt wurde, sie hätte in einem
Gespräch über ihre Aufnahme nicht alle Fragen sofort verstanden und in zum Teil
fehlerhaften Sätzen geantwortet. Bei einem solchen "nicht einfachen
Gesprächsinhalt" hätte die Behörde nach Auffasung der Leipziger
Richter nicht erwarten dürfen, dass alle Fragen sofort verstanden werden.
(BVerwG 5 C 33.02 und 5 C 11.03)
Pressemitteilung BVerwG 04.09.03 // SZ 05.09.03
Asylstatistik Im September 2003 haben 4.418 Personen in
Deutschland Asyl beantragt. Damit liegt die Zahl der Asylbewerber zwar um 24,5 % (870
Personen) über dem Niveau des Vormonats, gegenüber dem Vorjahresmonat
September 2002 ist jedoch ein deutlicher Rückgang von 29,7 % (- 1.868 Personen)
festzustellen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2003 wurden insgesamt 28,0 % weniger
Asylerstanträge registriert als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die
Hauptherkunftsländer waren im September 2003 die Türkei (513), die Russische
Föderation (474), Serbien und Montenegro ( 416), sowie Vietnam (204), der Iran (198)
und der Irak (192). Dabei fällt die besonders deutliche Zunahme der Asylgesuche von
Staatsangehörigen der Russischen Föderation auf: Lag ihre Zahl im August noch
bei 231 Erstanträgen, wurden im September mit 474 Anträgen (darunter etwa 59
% Tescheschenen) mehr als doppelt so viele gezählt. Im September 2003 hat das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die
Anträge von 8.420 Personen entschieden. Als Asylberechtigte anerkannt wurden davon
100 Personen (1,2 %); Abschiebeschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG erhielten 103 Personen
(1,2 %). Die Anträge von 5.608 Personen (66,6 %) wurden abgelehnt; alle übrigen
(31,0 %) haben sich auf sonstige Weise erledigt (z.B. durch Verfahrenseinstellung wegen
Rücknahme des Asylantrags).
Pressemitteilung BMI 07.10.03
September
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