efms Migration Report
Januar 2006 | | | | |
EU-Innenminister:
Einheitliche europäische Asylpolitik angestrebt Am 13.-14.01.06 erzielten
die europäischen Justiz- und Innenminister bei ihrem ersten informellen Treffen unter
österreichischer Ratspräsidentschaft einen breiten Konsens in Asyl- und
Migrationsfragen. Langfristig sollen gemeinsame EU-Länderberichte über die
mögliche politische Verfolgung von Flüchtlingen in ihren Heimatländern
eingeführt werden. Noch Ende Januar plant die EU-Kommission den Mitgliedstaaten
eine Liste so genannter sicherer Drittstaaten vorlegen, in die Asylbewerber ohne weitere
Prüfung zurückgeschickt werden könnten. Ein gemeinsames
Informationssystem soll zur Einschätzung der Bedrohungslage in den
Herkunftsländern der Flüchtlinge beitragen. Zudem wird die EU künftig
Mitgliedstaaten im Bereich Asyl/Migration mit Expertenteams unterstützen, die in
besonderen Situationen Hilfe brauchen. Ebenfalls geplant ist die Entwicklung von
Pilotprojekten zum "Schutz in der Region", die bereits im ersten Halbjahr 2006
für Flüchtlinge in Tansania, Ukraine, Moldawien und Weißrussland
umgesetzt werden sollen. Handelsblatt 12.01.06 //
Presseaussendung EU-Ratspräsidentschaft Österreich 13.01.06 // FR 14.01.06 //
Die Welt 14.01.2006 // SZ 14.01.06 // FAZ 14.01.06
Umstritten:
Gesprächsleitfaden bei Einbürgerungen Am 01.01.06 führte
Baden-Württemberg einen Gesprächsleitfaden für
Einbürgerungsbewerber aus 57 islamischen Staaten ein. Ziel der bis zu 30 Fragen, die
sich z.B. um die Einstellung zur Homosexualität oder zur Gleichberechtigung von
Mann und Frau drehen, ist eine Überprüfung der Verfassungstreue.
Begründung: Das Innenministerium habe "Zweifel, ob bei Muslimen generell
davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer
tatsächlichen inneren Einstellung entspreche" (Pressemitteilung
Innenministerium Baden-Württemberg 14.12.05). Die Verwaltungsvorschrift
löste massive Kritik türkischer und islamischer Verbände, der
baden-württembergischen Opposition SPD und Grüne sowie teilweise in der
CDU aus: Der Fragekatalog sei diskriminierend und sinnlos. Er schüre einen
Generalverdacht gegen Muslime und zerstöre Vertrauen. Die
Oberbürgermeisterin Heidelbergs kündigte an, ihre Stadt werde den
Gesprächsleitfaden aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nicht anwenden. Der
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen bemängelt, die
Befragungspraxis erlaube keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächliche
Integrationsbereitschaft. Aufgrund dieser Kritik und aufgrund des Drängens von
Koalitionspartner FDP korrigierte sich das Innenministerium nachträglich in einem
Punkt: Der Fragebogen soll künftig nicht mehr nur bei Muslimen, sondern bei allen
Einbürgerungswilligen, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue beständen,
angewandt werden. Befürworter des Gesprächsleitfadens sind u.a.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung Maria Böhmer (CDU). Die SPD-geführten
Bundesländer sowie der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin
Laschet (CDU) lehnen einen Gesprächsleitfaden nach baden-württembergischem
Vorbild grundsätzlich ab. Hessen dagegen beabsichtigt nun ebenfalls die
Einführung eines "Wissens- und Wertekanons", um die Einstellung aller
Einbürgerungsbewerber zum Grundgesetz zu überprüfen. Pressemitteilung Innenministerium Baden-Württemberg 14.12.05 // FR
03.01.06 // SZ 03.01.06 // FAZ 05.01.06 // taz (online) 05.01.06 // FAZ (online) 05.01.06 //
Welt am Sonntag 08.01.06 // FAZ 10.01.06 // SZ 09.01.06 // taz 11.01.06 // FR 11.01.06 //
dpa 11.01.06 // SZ 12.01.06 // SZ 13.01.06 // FAZ 14.01.06 // Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung 15.01.06 // SZ 17.01.06 // Pressemitteilung Stadt Heidelberg 20.01.06 //
Pressemitteilung Hessisches Ministerium des Inneren und für Sport
30.01.06
BMI plant
Verschärfung des Ausländerrechts Das Bundesinnenministerium
(BMI) hat einen 260 Seiten starken Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem elf EU-Richtlinien zur
Angleichung des Ausländer- und Asylrechts in der Gemeinschaft umgesetzt sowie
Zwangsehen, Prostitution und Schleusungen erschwert werden sollen. Der Entwurf soll bis
Ende März vom Kabinett beschlossen werden und noch vor der parlamentarischen
Sommerpause in Kraft treten. Vorgesehene Regelungen: Ehepartner in Deutschland lebender
Ausländer sollen erst vom 21.Lebensjahr an eine Aufenthaltserlaubnis erhalten
können. Bei Scheinehen soll eine Aufenthaltserlaubnis untersagt werden, um einen
Missbrauch zur Zwangsprostitution zu verhindern. Zudem soll jeder Ausländer
"auf Verlangen" ein digitales Foto vorlegen, das im
Ausländerzentralregister gespeichert werden darf. Langfristig könnten Polizei
und Justiz so auf bis zu 30 Millionen Fotos Zugriff erhalten. Die Pläne werden vom
Koalitionspartner SPD, der Opposition und Stimmen aus der türkischen Gemeinde
missbilligt. Hauptkritikpunkt: Eine Altersgrenze von 21 Jahren für den Nachzug von
Ehepartnern verstoße gegen das Grundgesetz. Die Bundestagsfraktion der
Grünen hatte bereits im Dezember einen Antrag gegen das Gesetzesvorhaben
eingebracht. Unterstützt von Amnesty International forderten sie darin einen besseren
rechtlichen Schutz der Opfer von Zwangsehen und Loslösung des Aufenthaltstitels
vom Fortbestand der Ehe. Welt am Sonntag 08.01.06 // Die Welt
08.01.06 // SZ 09.01.06 // BZ 09.01.06 // FR 09.01.06 // BZ 10.01.06 // FAZ
11.01.06
Berlin: Realschule
löst unfreiwillig integrationspolitische Grundsatzdebatte aus Für mehr
als 90% der 370 Schüler der Berliner Hoover-Oberschule ist Deutsch nicht die
Muttersprache. Daher einigten sich Schüler, Eltern und Lehrer vor eineinhalb Jahren in
einer paritätisch besetzten Schulkonferenz darauf, Deutsch offiziell zur gemeinsamen
Verkehrssprache zu erklären. Gute Deutschkenntnisse seien für die Aussicht der
Absolventen auf einen Arbeitsplatz sehr wichtig. Die Vereinbarung, Deutsch zur für
alle verpflichtenden Schulsprache auch in den Pausen, auf Wandertagen und auf
Klassenreisen zu machen, wurde per "Elternbrief" bekräftigt und die neue
Hausordnung von allen Schülern unterschrieben. Seitdem habe ihre Schule "den
größten Zulauf im Bezirk Mitte" erlebt, so Schulleiterin Steinkamp. Dies
läge auch an der Ausdehnung des Deutschunterrichts in Kleingruppen von vier auf
sechs Stunden pro Woche. Auch die Borsig-Realschule im Berliner Stadtteil Kreuzberg
(Ausländeranteil 86%) schreibt die Deutschpflicht in den Pausen vor. Das
Fremdsprachen-Verbot findet einerseits parteiübergreifende Unterstützung, wird
aber gleichzeitig von Politikern fast aller Parteien kritisiert. Die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung Maria Böhmer (CDU), Bundestagsvizepräsident Wolfgang
Thierse (SPD), Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD), Reinhard Büttikofer
(Grüne), das Zentrum für Türkeistudien, der Islamrat und der Zentralrat
der Muslime in Deutschland befürworten freiwillige Abmachungen in Schulen.
Ablehnend äußern sich dagegen der Verband Bildung und Erziehung (VBE), die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Berlins Integrationsbeauftragter
Günter Piening (Grüne), der Türkische Bund Berlin-Brandenburg, die
Föderation Türkischer Elternvereine in der Bundesrepublik und die
türkische Zeitung Hürriyet. Hauptkritikpunkte: Das Deutschgebot sei
diskriminierend und die Kontrolle einer solchen Vorschrift in der Praxis äußerst
schwierig. Der Tagesspiegel (online) 23.01.06 // FR 23.01.06 //
taz 25.01.06 // FR 25.01.06 // BZ (online) 25.01.06 // taz 26.01.06 // Die Welt 26.01.06 //
FAZ 26.01.06 // Die Welt (online) 26.01.06 // NN 27.01.06 // FR 27.01.06 // BZ 30.01.06 //
FAZ 31.01.06
NRW und Niedersachsen:
Islamischer Religionsunterricht geplant Nordrhein-Westfalen (NRW) will als erstes
Bundesland islamischen Religionsunterricht flächendeckend anbieten.
Integrationsminister Armin Laschet (CDU) erhöht deshalb den Druck auf die
islamischen Organisationen in NRW, als Ansprechpartner der Regierung eine demokratisch
legitimierte Vertretung der Muslime zu bilden. Niedersachsens Ministerpräsident
Christian Wulf (CDU) plädiert für eine Einführung des Fachs auch in
anderen Bundesländern. Zudem plant er die Ausweitung eines seit 2003 in
Niedersachsen laufenden Modellversuchs eines islamischen Religionsunterrichts an 19
Grundschulen. Wichtig sei, so Wulf, dass der Unterricht "in deutscher Sprache von in
Deutschland ausgebildeten Lehrern und nach Länder-Lehrpläne" erteilt
werde und die "friedlichen Botschaften des Koran" vermittle. Hamburger Abendblatt (online) 18.01.06 // Aachener Zeitung (online)
27.01.06 //Focus 30.01.06
Sachsen-Anhalt:
Rechtsextremistische Übergriffe nehmen zu Seit Jahresbeginn kam es in
Sachsen-Anhalt zu acht rechtsextremistischen Überfällen in nur elf Tagen. Ein
Zwölfjähriger wurde in Pömmelte bei Magdeburg Opfer einer brutalen
Misshandlung: Fünf Neonazis zwischen 14 und 19 Jahren hatten den aus
Äthiopien stammenden Jungen am 09.01.06 an einer Bushaltestelle verprügelt,
eine Zigarette in seinem Gesicht ausgedrückt und gezwungen ihre Stiefel abzulecken.
Die Mobile Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Magdeburg kritisiert,
die Justiz gehe zu lax mit rechten Gewalttätern um. Deswegen und aufgrund der
Erfolge von DVU und NPD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen seien
rechte Straftaten -von geschändeten Mahnmalen bis zu Überfällen- im
Jahr 2005 in Sachsen-Anhalt auf insgesamt 73 angestiegen. FR
13.01.06 // Der Spiegel 16.01.06 // FR 18.01.06
Berlin: Streit um junge
Polizisten mit Migrationshintergrund Bereits vor längerer Zeit hatte
Innensenator Ehrhard Körting (SPD) angekündigt, sich mehr für die
Ausbildung von Polizisten nichtdeutscher Herkunft einzusetzen, um so einen besseren
Zugang zu Migrantengruppen vor allem in den Problemkiezen zu finden. Die Gewerkschaft
der Polizei (GdP) erhebt nun schwere Vorwürfe: Der Senat handle rechts- und
verfassungswidrig, da beim Prüfungs- und Einstellungsverfahren für Personen
mit Migrationshintergrund nicht die gleichen hohen Ansprüche gestellt würden
wie für Deutsche. Während CDU und FDP-Fraktion diese Meinung teilen,
verteidigt Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann die Regelungen: Es sei keinesfalls
rechtswidrig, Nachteile von Bewerbern mit Migrationshintergrund im schulischen Bereich
durch gezielte Maßnahmen auszugleichen. Die Welt
27.01.06 // Berliner Morgenpost (online) 28.01.06
Berlin: Erstes Heim nur
für türkische Senioren In Berlin-Kreuzberg wird Ende 2006 das
bundesweit erste Altenpflegeheim ausschließlich für türkische Senioren
eröffnet. Das Heim mit 171 Plätzen wird gemeinsam von der Marseille-Klinik
AG und der Türkischen Gemeinde Berlin betrieben. Im Konzept werden spezifische
Bedürfnisse berücksichtigt: Umgangssprache, Küche und
Kulturprogramm sind türkisch geprägt. Zudem sollen die Bewohner bei der
Intimpflege nur von Personal des gleichen Geschlechts versorgt werden und die Ansprache
der Patienten durch das Personal intensiver ausfallen als in deutschen Heimen. Welt am Sonntag 15.01.06 // BZ 19.01.06
Berlin: Neue
Broschüre zum Thema "Islamismus" Am 25.01.06 stellte
Innensenator Ehrhard Körting (SPD) eine 40seitige Aufklärungsbroschüre
zum Thema Islamismus vor. Neben einem Überblick über neun auch in Berlin
aktive islamistische Organisationen wird über die Geschichte des Islam und dessen
extremistischer Verzerrung Islamismus informiert. Islam, Islamismus und Fundamentalismus
würden oft verwechselt und islamische Organisationen oft als terroristisch eingestuft.
So würden falsche Feindbilder aufgebaut, erklärte Körting. taz 26.01.06 // Die Welt (online) 26.01.06
München: Urteil im
Terrorprozess gegen Amin Lokman Mohammed Im bundesweit ersten Prozess
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilte der
6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München den Iraker Lokman Mohammed am
12.01.06 zu sieben Jahren Haft. Das Gericht befand den 33jährigen für schuldig,
Mitglied der im Irak aktiven Terrorgruppe Ansar al Islam zu sein. Er habe in Deutschland
Gotteskrieger rekrutiert sowie Geld und Material beschafft. Zugleich habe er als
gewerbsmäßiger Schleuser Iraker nach Europa gebracht und damit "gut
verdient". Die Welt 13.01.06 //FAZ 13.01.06
EuGH: Deutsche
Visavergabe verstößt gegen den freien Dienstleistungsverkehr Bisher
müssen Unternehmen, die in Deutschland Dienstleistungen anbieten, für ihre
Arbeitnehmer aus Drittstaaten ein Visum beantragen. Zudem müssen die Arbeitnehmer
mindestens ein Jahr zuvor bereits bei dem Unternehmen beschäftigt sein. Die
Kommission sieht darin eine Behinderung der Dienstleistungsfreiheit und leitete 2004 ein
Vertragsverletzungsverfahren ein. Mit seinem Urteil vom 19.01.06 stützt der
Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Position: Die Praxis deutscher Behörden
gehe über das hinaus, was zur Verhinderung von Missbräuchen, der Umgehung
des freien Dienstleistungsverkehrs und dem Arbeitnehmerschutz erforderlich sei. Eine
einfache vorherige Erklärung über den Aufenthalt, die Arbeitserlaubnis und die
soziale Absicherung des Arbeitnehmers reiche aus. Pressemitteilung EuGH 19.01.06 // SZ 20.01.06 // FTD 20.01.06
Spätaussiedlerzuzug
2005 weiter rückläufig Im Jahr 2005 kamen 35.522
Spätaussiedler und Angehörige nach Deutschland, annähernd 40%
weniger als 2004 (59.093 Personen). Damit setzt sich der
Spätaussiedlerrückgang weiter fort. Viele Antragsteller und Familienmitglieder
erfüllen die sprachlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme als
Spätaussiedler zudem nicht mehr: Von den 2005 insgesamt 1.468 zu einem
Sprachstandstest eingeladen Personen erschienen nur 871, von denen knapp 25% (216
Personen) den Test bestanden. Pressemitteilung BMI
10.01.06
Asylstatistik Im
Januar 2006 haben 1.969 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Damit ist die
Zahl der Asylbewerber gegenüber Dezember 2005 um 6,1% (-128 Personen) und im
Vergleich zum Vorjahresmonat Januar 2005 um 15,8% (-369 Personen) gesunken.
Hauptherkunftsländer im Januar 2006 waren Serbien und Montenegro (359), die
Türkei (179) sowie Irak (170) vor der Russischen Föderation (109) und Vietnam
(77). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat über die
Anträge von 3.507 Personen entschieden, von denen 31 Personen (0,9%) als
asylberechtigt anerkannt wurden. Weitere 90 Personen (2,6%) erhielten Abschiebungsschutz
nach §60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes. Abgelehnt wurden die Anträge von
2.274 Personen (64,8%). Auf sonstige Weise, z.B. durch Verfahrenseinstellung wegen
Rücknahme des Asylantrags, wurden die Anträge der übrigen 1.112
Personen (31,7%) erledigt. Pressemitteilung BMI
07.02.06
Januar 2006 | | | | |
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