efms Migration Report
Februar 1997 | | | | |
Bosnien-Flüchtlinge:Weiter Streit um Rückführung Die deutsche Politik gegenüber den Bosnien-Flüchtlingen bleibt im In- und Ausland umstritten. Drei Länder-Innenminister bekräftigten nach einer Informationsreise nach Bosnien, die Rückkehr sei "möglich und sinnvoll". Der bosnische Flüchtlingsminister Kadic hält dagegen die geplante Zahl von 100.000 Rückkehrern aus Deutschland für nicht aufnehmbar und kritisiert, daß keine Rücksicht auf die Herkunft
der Flüchtlinge genommen werde. Diese kämen dadurch meist in die von ihren Volksgruppen im Ergebnis des Krieges kontrollierte Gebiete zurück, was die ethnische Trennung festigt. Als "unrealistisch" kritisiert wurden die Rückführungspläne u.a. auch vom Bundestags-Innenausschuß und dem UNHCR. Wegen mangelnder Hilfe für die Rückkehr der Bosnier greift die Bundesregierung die Europäische Union an. Bei einem informellen Treffen der Innen- und Justizminister der Union wird beklagt, daß in Aussicht gestellte Gelder für Rückkehrwillige nicht ankämen
und entgegen wiederholter Zusagen noch kein Geld für Aufbauprojekte geflossen sei. Deutschland sieht sich von den anderen europäischen Staaten mit der Hauptlast der Flüchtlinge allein gelassen. Im vergangenen Jahr sind rund 15.000 Flüchtlinge freiwillig aus Deutschland nach Bosnien zurückgekehrt. dpa 06.02.97 // Spiegel 10.02.97 // SZ 21.02.97 // FAZ 24.02.97 // FAZ 26.02.97 // FR 26.02.97
Debatte um neue Visumspflicht für ausländische Kinder Die von Bundesinnenminister Kanther (CDU) im Januar als Eilmaßnahme in Kraft gesetzte Neuregelung des Aufenthaltsrechts für ausländische Kinder hat heftige Debatten und Proteste ausgelöst. Die Vorschrift, daß Kinder aus den ehemaligen Anwerbestaaten neuerdings ein Visum zur Einreise nach Deutschland und eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen, wird damit begründet, daß die Möglichkeit der visumsfreien Einreise häufig
zur Einschleusung von Kinder mißbraucht werde. Die Bundesregierung will trotz massiver Kritik des Europaparlaments an der Verordnung über die Visumspflicht festhalten. Die Verordnung muß bis Mitte April vom Bundesrat gebilligt werden. SPD und FDP halten die Visumspflicht für gerechtfertigt, plädieren aber für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und eine grundsätzlich erleichterte Einbürgerung. Bundesweit finden zahlreiche von Ausländerorganisationen initiierte Protestdemonstrationen und Schulstreiks statt. Kritisiert wird in erster Linie, daß die Änderung
eine Verschlechterung für Hunderttausende in Deutschland lebende, oft hier geborene Kinder bedeute und daß die Integration der Heranwachsenden erschwert werde. FAZ 12.02.97 // dpa 20.02.97 // FR 22.02.97 // Welt 22.02.97 // taz 27.02.97
Verstärkte internationale Polizeizusammenarbeit Die Bundesrepublik will auf der Basis bilateraler Verträge mit den Nachbarländern verstärkt gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorgehen. Entsprechende Vereinbarungen existieren bereits mit Luxemburg, Frankreich, Polen und den Niederlanden. Ein Abkommen mit Tschechien steht bevor. Die Ermittlungen sollen in direkter Kooperation von Länderpolizei, Bundesgrenzschutz, Zoll und den Behörden der Nachbarländer erfolgen. Ziel ist es,
"Sicherheitsverluste
durch den Abbau der Binnengrenzkontrollen", insbesondere in den Schengen-Mitgliedsstaaten, auszugleichen. Die Auflösung der bayerischen Grenzpolizei ist auf frühestens Ende Oktober 1997 verschoben worden, weil Österreich und Italien noch Schwierigkeiten bei der lückenlosen Personenkontrolle an den Außengrenzen haben. Ein Teil der dann freiwerdenden Beamten soll zur "Schleierfahndung" im grenznahen Bereich eingesetzt werden. FAZ 08.02.97 // FR 06.02.97 // SZ 15.02.97
CDU-Innenpolitiker fordert Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Erwin Marschewski (CDU) hat ein Zehn-Punkte-Programm zur Verhinderung illegaler Zuwanderung nach Deutschland vorgelegt. Die Asylstatistiken zeigen seiner Ansicht nach, daß das deutsche Asylrecht weiterhin "zum Zweck illegaler Zuwanderung mißbraucht wird." Marschewski schlägt u.a. folgende Maßnahmen vor: Aufstockung des Bundesgrenzschutzes an den deutschen Ostgrenzen um
mindestens
1.500 Beamte; eine "Asylcard" für Asylbewerber, die alle Identifizierungs-, Verfahrens- und Leistungsdaten enthält; eine Erweiterung der erkennungsdienstlichen Behandlung auf Bürgerkriegsflüchtlinge; konsequentere Abschiebungen, deren Kosten nach Möglichkeit der Betroffene selbst trägt. Nach Ansicht von Experten sind mehrere dieser Forderungen bereits gängige Praxis. FAZ 15.02.97 // FR 15.02.97
Weniger Asylrechtsklagen vor dem Bundesverwaltungsgericht Die Zahl der Asylverfahren beim Bundesverwaltungsgericht ist 1996 um mehr als 20 % auf 846 Fälle zurückgegangen. Sie stellen jedoch noch immer das umfangreichste Sachgebiet des BVG dar. Laut Gerichtspräsident Franßen ist eine Prognose darüber, ob der rückläufige Trend anhalten werde, nicht möglich. Bei den Verwaltungsgerichtshöfen und Oberverwaltungsgerichten sind noch immer eine Vielzahl von Verfahren anhängig. Welt 20.02.97 // SZ 20.02.97
Bleiberecht für russische Deserteure Die Bonner Koalition hat sich darauf verständigt, etwa 600 Deserteuren der ehemals in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Streitkräfte Bleiberecht in der Bundesrepublik zu gewähren. Sie sollen eine Aufenthaltsbefugnis nach §32 des Ausländergesetzes erhalten. Die Deserteure hatten meist politisches Asyl beantragt; eine Bestrafung wegen Fahnenflucht gilt jedoch als nicht asylrelevant. Zusätzlich waren einige Offiziere von westlichen Geheimdiensten verhört worden,
weshalb ihnen in Rußland und anderen Staaten der früheren Sowjetunion bis zu 20 Jahren Haft drohen. Die endgültige Entscheidung über den Status der noch in Deutschland lebenden Betroffenen liegt jedoch bei den Bundesländern. Welt 27.02.97 // SZ 26.02.97 // NZZ 26.02.97
Zentralrat der Sinti und Roma klagt bei EU-Kommission Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte eine formelle Beschwerde gegen ein in ihren Augen "rassistisches Urteil" des Amtsgerichts Bochum eingereicht. Das Gericht hatte in einem Urteil im September 1996 entschieden, daß ein Vermieter "Zigeuner" als Mieter ablehnen könne, da diese Bevölkerungsgruppe wegen ihrer traditionellen Nichtseßhaftigkeit keine "durchschnittlich geeigneten Mieter" seien.
Der
Zentralrat will in Brüssel die Aufhebung des Urteil erreichen, da eine solche Aussage zur Ausgrenzung und Diskriminierung der Sinti und Roma führe. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Rainer Voss hat sich im Namen seines Bochumer Kollegen bei den Sinti und Roma insbesondere für die Verwendung des Begriffs "Zigeuner" entschuldigt. taz 21.02.97 // Welt 21.02.97
Haftbefehle gegen untergetauchte Ausländer unzulässig Das Frankfurter Oberlandesgericht hat entschieden, daß es für Haftbefehle gegen abzuschiebende und untergetauchte Ausländer keine rechtliche Grundlage gibt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen von einer Abschiebehaft Bedrohte grundsätzlich angehört werden. Wenn eine solche Anhörung wegen Untertauchens nicht möglich ist, darf nur eine "einstweilige Freiheitsentziehung" bis zu sechs Wochen Dauer verhängt
werden. SZ 27.02.97 // FR 01.03.97
Karlsruhe lehnt Beschwerden gegen Wahlrecht für EU-Ausländer ab Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen zweier deutscher Staatsbürger gegen das kommunale Wahlrecht für EU-Ausländer abgelehnt. Diese hatten die angebliche Privilegierung von "Unionsbürgern" im Kommunalwahlrecht von Hessen und Baden-Württemberg gerügt. Das Gericht entschied jedoch in beiden Fällen, daß die Beschwerdeführer nicht in ihren eigenen Grundrechten beeinträchtigt würden. dpa 27.02.97
Statistik: Illegale Einwanderung Nach Angaben des Bundesinnenministeriums ist 1996 die Zahl der illegal nach Deutschland eingereisten Personen um 8,7% gesunken: Es wurden insgesamt 27.024 Personen beim unerlaubten Grenzübertritt festgenommen; im Vorjahr waren es 29.604 Personen gewesen. Die Mehrzahl der Festnahmen, insgesamt 21.976 Personen, seien an den Grenzen zu Polen und Tschechien erfolgt. Trotz des leichten Rückgangs hält Bundesinnenminister Kanther den Druck durch die illegale Zuanderung weiterhin für
sehr hoch, zumal sie zunehmend durch kriminelle Schleuserbanden organisiert werde. Die Grenzschutzbehörden haben 1996 gegen 7364 eingeschleuste Ausländer (davon 1.200 Bürger aus Ex-Jugoslawien) und gegen 2.215 Schleuser (davon 18,7% tschechische Staatsbürger) ermittelt. dpa 25.02.97 // SZ 26.02.97
Aussiedlerstatistik Nach Mitteilungen des Bundesinnenministeriums wurden im Januar 1997 14.924 Spätaussiedler registriert, davon 14.728 aus der früheren UdSSR. Im Januar 1996 waren es über 17.000 Personen gewesen. Auch bei der Zahl der Aufnahmeanträge ist im Januar 1997 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen: Von über 22.000 im Vorjahr sank die Zahl auf 13.289. Im Februar 1997 ist die Aussiedlerzahl mit 9.231 Neuzugängen auf den niedrigsten Stand seit 1988 gesunken. Im Vergleich zum Februar
des Vorjahres kamen fast 20% weniger Menschen nach Deutschland; die Zahl der Aufnahmeanträge sank mit 13.500 um 18 %. Nach Ansicht des Aussiedlerbeauftragten Waffenschmidt (CDU) ist ein Grund für den Rückgang die deutsche Förderung der betroffenen Gebiete in der Russischen Föderation; außerdem scheitern viele Antragsteller an der seit letztem Jahr obligatorischen Prüfung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse. SZ 03.02.97 // dpa 02.03.97
Asylstatistik Im Februar 1997 wurden in Deutschland 8.700 Asylanträge gestellt, 2.177 oder 20 % weniger als im Januar. Gegenüber dem Februar 1996 betrug der Rückgang 6,4 %. Die meisten Antragsteller kamen aus der Türkei (1.797), dem Irak (1.326) und der Bundesrepublik Jugoslawien (1.018). Entschieden wurden im Februar knapp 15.000 Verfahren mit einer Anerkennungsquote von 5,8 % (865 Fälle). Weitere 6,5 % (976 Personen) erhielten Abschiebeschutz. Bundesinnenminister Kanther hält die Zugangszahlen
für noch immer deutlich zu hoch, und fordert die Länder zu einer konsequenteren Abschiebepraxis auf. Bei einem Besuch des Nürnberger Bundesamtes im neuen Hauptquartier beklagte er, daß Deutschland mit knapp 60 % aller Asylbewerber die Hauptlast innerhalb der Europäischen Union trage. dpa 05.03.97 // Welt 06.03.97
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