efms Migration Report
September 2006 | | | | |
UN:
Weltbevölkerungsbericht Die deutsche Ausgabe des
Weltbevölkerungsberichts 2006 wurde auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des
Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und der Deutschen Stiftung
Weltbevölkerung (DSW) am 06.09.06 in Berlin vorgestellt: Demnach wohnten mit 191
Millionen Migranten (95 Millionen davon Frauen) mehr Menschen als jemals zuvor
außerhalb ihres Geburtslandes, davon drei Viertel in insgesamt nur 28 Ländern.
33 der 36 Millionen Menschen, die in den letzten 15 Jahren ihre Heimat verlassen
hätten, seien in einen Industriestaat gezogen. 2005 hätten Migranten rund 232
Milliarden Dollar in ihre Heimat, 167 Milliarden Dollar davon in Entwicklungsländer,
überwiesen - mehr als das Doppelte aller Entwicklungshilfe. Schätzungen
zufolge seien derzeit 2,5 Millionen Migranten Opfer von Menschenhandel und lebten in
sklavenähnlichen Verhältnissen. Damit wäre der Menschenhandel mit
einem jährlichen Umsatz zwischen sieben und zwölf Milliarden Dollar nach
dem Waffen- und Drogenschmuggel der lukrativste illegale Handel. Die große
Mehrheit derer, die aus einem Entwicklungsland in ein OECD-Land auswandern, besitze
einen Sekundärschul- oder höheren Bildungsabschluss. Der Braindrain sei dabei
nirgends so stark zu spüren wie im Gesundheitswesen: Südlich der Sahara drohe
durch die Abwanderung von jährlich 20.000 Fachkräften eine medizinische
Versorgungskrise. So kämen in Liberia auf 100.000 Menschen nur zehn
Krankenschwestern, in Norwegen seien es 2.000. Und in der britischen Stadt Manchester
arbeiteten mehr Ärzte aus Malawi als in dem ostafrikanischen Land selbst. Presseinformation DSW 29.08.06 // FAZ 07.09.06 // NZZ 07.09.06 // FTD
13.09.06 // Handelsblatt 13.09.06
UN: "High Level
Dialogue" zu internationaler Migration Vom 14.-15.09.06 fand unter dem
Dach der Vereinten Nationen zum ersten Mal ein sog. "High Level Dialogue"
zum Thema "Migration und Entwicklung" in New York statt. An den
Gesprächen nahmen Minister und Experten aus 120 Ländern teil.
UN-Generalsekretär Kofi Annan schlug die Einführung eines "Global
Forum on Migration and Development" vor. Das Forum wird 2007 voraussichtlich zum
ersten Mal in Belgien tagen und soll keine bindenden Entscheidungen fällen. Vielmehr
handle es sich um einen informellen, freiwilligen und beratenden Ideenaustausch. IOM 12.09.06 // www.stern.de 12.09.06 // UN News Centre 13.09.06 // The
New York Times 14.09.06 // UN News Centre 15.09.06 // UNHCR New
18.09.06
EU und UN kritisieren
Schweizer Asylrechtsänderungen Am 24.09.06 befürworteten etwa
68% der abstimmenden Schweizer (Wahlbeteiligung: 48,8 %) strengere Regeln im Asyl-
und Einwanderungsrecht. Danach wird der Antrag eines Asylbewerbers, der keine
Dokumente vorweisen kann, künftig sofort abgelehnt. Asylbewerber erhalten bis zu
zwei Jahren Haft, wenn sie nicht mit den Behörden "kooperieren". Zudem
wird ihnen die finanzielle Unterstützung gekürzt. Auch die Rechte von in der
Schweiz lebenden Ausländern werden beschnitten: Die Regel, dass Ausländer
nach zehn Jahren in der Schweiz eine Niederlassungsbewilligung erlangen können,
wird nicht mehr automatisch angewandt. Zudem können Ausländer, die
länger als ein Jahr in der Schweiz bleiben wollen, künftig zu Sprach- und
Integrationskursen verpflichtet werden. Der UN-Flüchtlingskommissar rügt den
Gesetzentwurf als "einen der restriktivsten Europas" und EU-Kommissar Franco
Frattini erklärte den Asylkurs der Schweiz als mit EU-Standards unvereinbar. Nach
Ansicht linker Parteien, christlicher Kirchen und des israelitischen Gemeindebundes wird die
internationale Flüchtlingskonvention von 1951, welche auch die Schweiz unterzeichnet
hat, verletzt: Unter dem neuen Gesetz hätten weder jüdische Emigranten aus
Nazi-Deutschland noch Flüchtlinge nach dem Ungarn-Aufstand von 1956 in der
Schweiz bleiben können. SZ 26.09.06 // FR
27.09.06
EU: Schwierige Suche
nach Lösungen für Flüchtlingsproblematik Beim Treffen der
EU-Innen- und Justizminister am 21.09.06 in Tampere rief der wachsende Zustrom illegaler
Einwanderer aus Schwarzafrika nach Spanien, Italien und Malta eine zum Teil kontroverse
Debatte hervor: Während der spanische Justizminister Juan Fernando López
Aguilar "Geld, Mittel, Ressourcen und Entschlossenheit" von seinen
europäischen Kollegen forderte, lehnte Bundesinnenminister Wolfgang
Schäuble (CDU) eine Teilung der finanziellen Lasten vorerst ab. Unumstritten sei
zwar, dass die illegale Einwanderung aus Afrika den Mittelmeerländern zurzeit
größere Belastungen aufbürde als anderen Mitgliedstaaten. Der Ruf nach
dem Geld anderer sei jedoch immer das Bequemste. Voraussetzungen für den von
Finnland vorgeschlagenen Fonds zur Bewältigung der Flüchtlingsströme
seien "gemeinsame europäische Mindeststandards der Migrationspolitik".
Schäuble spielte damit auf Spanien an, das illegalen Einwanderern in der
Vergangenheit großzügige Bleibemöglichkeiten gewährt hatte.
Auch das Europaparlament kritisierte die im Mai 2005 erfolgte Legalisierung illegaler
Ausländer in Spanien als zusätzlichen Einwanderungsanreiz. Gleichzeitig rief es
die EU-Innen- und Justizminister zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik und zur
Teilung der finanziellen Lasten auf. Auf einem Immigrationsgipfel am 29.09.06 in Madrid
beschlossen die Staats- und Regierungschefs Spaniens, Frankreichs, Zyperns, Italiens,
Griechenlands, Maltas, Sloweniens und Portugals ihr Vorgehen innerhalb der EU
abzustimmen. Unter anderem soll Europas Agentur für Außengrenzen, Frontex,
mehr Geld erhalten. FTD 08.09.06 // BZ 22.09.06 // FAZ 22.09.06
// SZ 29.09.06 // taz 29.09.06
Erste deutsche
Islamkonferenz Am 27.09.06 eröffnete Bundesinnenminister Wolfgang
Schäuble (CDU) die erste Deutsche Islamkonferenz (DIK) unter dem Motto
"Muslime in Deutschland - Deutsche Muslime" in Berlin. 15 Vertreter des
deutschen Staates trafen sich mit 15 Vertretern der muslimischen Bevölkerung, um
über eine verbesserte religions- und gesellschaftspolitische Integration der Muslime in
Deutschland zu sprechen. Neben den Dachverbänden der Türkisch-Islamischen
Union der Anstalt für Religion, des Zentralrats der Muslime in Deutschland, dem
Islamrat, dem Verband der islamischen Kulturzentren und der Alevitischen Gemeinde
Deutschlands wurden auch zehn Vertreter eines modernen, säkularen Islam aus
Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur eingeladen. Hierüber entbrannte
bereits vor Beginn der DIK eine Kontroverse: Aiman Mazyek, Generalsekretär des
Zentralrats der Muslime, kritisierte die Einladung von Einzelpersonen wie Necla Kelek.
Hauptansprechpartner sollten die großen Dachverbände bleiben, die den
"überwältigenden Teil der Moscheegemeinde in Deutschland
vertreten." Dem widersprach der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in
Deutschland (TGD), Kenan Kolat: Auch nicht-religiöse Migranten müssten mit
einbezogen werden. Die Gespräche sollen jetzt in drei Arbeitsgruppen zu den Themen
"Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens", "Religionsfragen im
deutschen Verfassungsverständnis" und "Wirtschaft und Medien als
Brücke" sowie einem beigeordneten Gesprächskreis "Sicherheit und
Islamismus" weitergeführt werden. Ziel ist es, nach zwei bis drei Jahren eine Art
"Gesellschaftsvertrag" zwischen der deutschen Aufnahmegesellschaft und der
muslimischen Bevölkerung Deutschlands zu schließen, in der sich beide Seiten
zur Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze verpflichten.
FR 16.09.06 // Welt am Sonntag 17.09.06 // Der Spiegel 18.09.06 // SZ
24.09.06 // FR 26.09.06 // NN 26.09.06 // Pressemitteilung BMI 27.09.06 // Pressemitteilung
BMI 28.09.06
Islamfeindlich verstandene
Äußerungen von Papst Benedikt XVI. führen zu Protesten Vom
09.-14.09.06 besuchte Papst Benedikt XVI. Bayern. Dabei zitierte er bei einem Vortrag in
Regensburg die Äußerung eines byzantinischen Kaisers, der Begründer
des Islams, Mohammed, habe "nur Schlechtes und Inhumanes" in die Welt
gebracht. Dies rief in der moslemischen Welt heftige Proteste und Forderungen nach einer
Entschuldigung hervor. In Rom wurden verschärfte Sicherheitsmaßnahmen
eingeführt, nachdem das Terror-Netzwerk El Kaida dem Papst und dem Westen mit
weiterer Gewalt drohte. Der Papst bekundete daraufhin sein persönliches Bedauern
über die seiner Ansicht nach missverstandenen Äußerungen. Am 25.09.06
empfing er die Botschafter von 22 moslemischen Ländern, um seine
Wertschätzung und Respekt gegenüber den moslemischen Gläubigen zu
betonen. Auf dem zur gleichen Zeit tagenden Uno-Menschenrechtsrat bezeichnete deren
Berichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Doudou Diène, die
Regensburger Rede von Benedikt XVI. als zutiefst beunruhigend. In Deutschland
erklärte der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, der Streit über die
Papst-Äußerungen zeige, dass die Beziehungen zwischen Muslimen und der
deutschen Mehrheitsgesellschaft noch nicht belastbar seien. Der Vorsitzende des Zentralrats
der Muslime, Ayyub Axel Köhler, rief dazu auf, die Lage nicht weiter zu
verschärfen. www.benedikt-in-bayern.de //
www.vatican.va/phome_ge.htm // BZ 19.09.06 // FAZ 21.09.06 // FR 26.09.06 // NZZ
28.09.06
Gesetzentwurf für
Antiterrordatei Nach jahrelangem Streit hat die Innenministerkonferenz (IMK) am
04.09.06 einen Gesetzentwurf für eine Antiterrordatei der Sicherheitsbehörden
vorgelegt, welche nach Billigung durch die Regierung jetzt den Bundestag beschäftigt.
Danach sollen Polizeibehörden und Geheimdienste einen direkten Zugriff auf eine
gemeinsame Computerdatei erhalten, in der Daten und Projekte zur Bekämpfung des
Terrorismus gesammelt werden. Bis zuletzt umstritten waren die in der Datei zu
verzeichnenden Merkmale über Verdächtige sowie der Kreis der Datennutzer.
Jetzt soll die Religionszugehörigkeit nicht mehr im "offenen Bereich",
sondern in den "erweiterten Grunddaten" aufgenommen werden. Die ehemalige
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßt dies:
Wenn jemand muslimischen Glaubens sei, hieße das nicht automatisch, dass er zur
Terrorszene zähle. Jemand, der aus dem Libanon komme, könne dagegen ein
Christ sein - und trotzdem Anschläge planen. Beschlussniederschrift über die 181. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 4. September 2006 in
Berlin // FR 05.09.06 // Pressemitteilung BMI 20.09.06 // FAZ 21.09.06
Aachener Friedenspreis
2006 an Initiative gegen Abschiebehaft Am 01.09.06 wurde der Aachener
Friedenspreis 2006 an den Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebungshaft
Büren e.V." verliehen, eine Initiative mit etwa 50 Aktiven. Begründung:
Der Verein kämpfe seit mehr als zehn Jahren beharrlich von unten und mit friedlichen
Mitteln gegen Abschiebehaft und setze sich zugleich sehr konkret für die betroffenen
Häftlinge in Deutschlands größtem Abschiebegefängnis in
Büren bei Paderborn ein. Ziel der Auszeichnung sei es, die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit auf die immer rigoroser und unmenschlicher werdende Abschiebepolitik
zu lenken, der die Abwehr von Flüchtlingen wichtiger sei, als der Schutz bedrohter
Menschen. Laudator Günter Wallraff kritisierte die deutschen
Abschiebegefängnisse als "Institutionen der Unmenschlichkeit".
"Die Aktivisten haben auch eine Art Kontrollfunktion in den
Gefängnissen", meint Bernd Mesovic von Pro Asyl. Das sähen die meisten
Haftanstalten allerdings nicht gerne. www.aachener-friedenspreis.de // taz 02.09.06
Baden-Württemberg: Modellprojekt Islamunterricht Mit Beginn des neuen
Schuljahres am 18.09.06 wird in Baden-Württemberg ein auf vier Jahre angelegter
Modellversuch eingeführt: 235 Kinder der ersten beiden Schulklassen erhalten eine an
zehn Grundschulen nach sunnitischer und in zwei Grundschulen nach alevitischer
Prägung erteilte islamische Religionslehre. Der deutschsprachige Unterricht wird von
Lehrkräften der jeweiligen Glaubensgemeinschaft erteilt. Die Nachfrage nach dem
Unterricht ist laut Kultusministerium gut; bei Erfolg soll der Religionsunterricht landesweit
ausgeweitet werden. Die Einführung eines deutschsprachigen Islamunterrichts in der
Schule wird auch von Bundespräsident Köhler und Bundesinnenminister
Schäuble (CDU) unterstützt. FR 06.09.06 //
Wirtschaftswoche (online) 09.09.06 // SZ 18.09.06 // FAZ 22.09.06 // Handelsblatt 26.09.06
Berlin:
Vorübergehende Absetzung der "Idomeneo"-Oper wegen möglicher
Gefahr Die Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms, ließ vier
Aufführungen von "Idomeneo" für November vom Spielplan
nehmen. Grund: In der Hans-Neuenfels-Inszenierung bringt der Titelheld am Ende u.a. den
blutig abgeschlagenen Kopf von Mohammed auf die Bühne. Eine Anruferin bei der
Bundespolizei hatte deswegen Bedenken vorgetragen. In einer vom Landeskriminalamt
daraufhin angefertigten Gefahrenanalyse wird von einem "Risiko mit unkalkulierbarem
Ausgang" ausgegangen. Drohungen gegen die Inszenierung liegen jedoch nicht vor.
Der Entschluss der Intendantin, die jedes Risiko vermeiden wollte, führte zu einer
heftigen Kontroverse: Während der Berliner Kultursenator Flierl (Linkspartei) Harms
Entscheidung "nachvollziehbar" nannte, zeigte sich Bundesinnenminister
Schäuble (CDU) verärgert. Auch Faruk Sen vom Zentrum für
Türkei-Studien kritisierte die Absetzung: Muslime in Deutschland ständen damit
wieder einmal zu Unrecht als intolerant da. FAZ 27.09.06 // FR
28.09.06
Berlin: Kurzfristiger
Berufsrückzug von Anwältin Ates löst Debatte aus Nach zehn
Jahren Engagement gegen Ehrenmorde und Zwangsheiraten als Anwältin in Berlin
für muslimische Frauen und Mädchen gab Anwältin Seyran Ates im
August ihre Anwaltszulassung wegen wiederholter Angriffe und Morddrohungen
zurück. Ihr Rückzug löste eine Debatte darüber aus, ob es
lebensgefährlich sei, sich in Deutschland für die Rechte muslimischer Frauen
einzusetzen. Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin für Migration, Integration
und Flüchtlinge, zeigte sich sehr betroffen: Sie kenne Ates als unerschrockene
Kämpferin. Daher werde sie ihr jede Unterstützung zuzusichern. Aufgrund der
insgesamt "überwältigenden Solidarität" kündigte Ates
jetzt an, ihr Mandat wieder aufzunehmen. Bei gefährlichen Terminen bekommt sie nun
Personenschutz. FR 06.09.06 // Welt am Sonntag
17.09.06
Asylstatistik Im
September 2006 haben 1.631 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Damit sank
die Zahl der Asylbewerber gegenüber August 2006 um 14,1% (-268 Personen) und ist
im Vergleich zum Vorjahresmonat September 2005 um 34,9% (-876 Personen)
zurückgegangen. Hauptherkunftsländer im September waren Serbien (269),
Türkei (141), Irak (139) sowie die Russische Föderation (104) und Vietnam
(73). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat über die
Anträge von 2.129 Personen entschieden, von denen 17 Personen (0,8%) als
asylberechtigt anerkannt wurden. Weitere 74 Personen (3,5%) erhielten Abschiebungsschutz
nach §60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes. Abgelehnt wurden die Anträge von
1.215 Personen (57,0%). Auf sonstige Weise, z.B. durch Verfahrenseinstellung wegen
Rücknahme des Asylantrags, wurden die Anträge der übrigen 823
Personen (38,7%) erledigt. Pressemitteilung BMI
10.10.06
September 2006 | | | | |
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