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efms Migration Report


November 1998

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Neue Ausländerbeauftragte: Politik der Integration in einem Einwanderungsland

Neue Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer ist Marieluise Beck von den Grünen. Sie will durch ihre Arbeit in der Gesellschaft die Erkenntnis verankern, daß Deutschland ein Einwanderungsland ist. Von den einbürgerungswilligen Ausländern erwartet sie einen Grundkonsens mit der deutschen Demokratie und fordert zugleich dazu auf, die ausländischen Bürger nicht länger als "Gäste" zu behandeln. Frau Beck betont, daß ihr Amt künftig die Bezeichnung "Bundesbeauftragte für Ausländerfragen und Integration" tragen wird. Angesichts der anwachsenden Aufgaben, z. B. bei Fragen der Integration der Einbürgerungsberechtigten, fordert sie eine personelle und materielle Aufstockung ihres Amtes.
Berliner Zeitung 02.11.98


Kirche und Menschenrechtsgruppen fordern neue Ausländerpolitik

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fordert von der neuen Bundesregierung eine fremdenfreundlichere Asyl- und Ausländerpolitik. Der EKD-Ratsvorsitzende Kock erwartet, daß die Regierung Zuwanderung klarer regelt und die rechtliche Integration verstärkt. Auf ihrer Synode in Münster setzt sich die EKD für die unverzügliche Umsetzung einer Alt- und Härtefallregelung im Asylrecht ein. Amnesty International will die Regierung zu einer grundlegenden Reform des Asylrechts bewegen: Nach der Meinung der Organisation verstoßen die Abschieberegelungen in ihrer jetzigen Form gegen Bestimmungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechtsfragen; Amnesty fordert ebenfalls eine Härtefallregelung sowie die Gründung eines Menschenrechtszentrums.
Welt 02.11.998 // FR 06.11.98 // dpa 10.11.98


Flüchtlingsrat: Richter gehen zu schnell von gefälschten Dokumenten aus

Der Niedersächsische Flüchtlingsrat berichtet, daß Verwaltungsgerichte zunehmend die bei Asylentscheiden vorgelegten Dokumente ohne nähere Prüfung als gefälscht zurückweisen. Er wirft den Richtern vor, die Echtheitsprüfungen des Auswärtigen Amtes nicht abzuwarten und so leichtfertig Abschiebungen zu ermöglichen. Der Flüchtlingsrat legt Beispielfälle vor, in denen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Dokumente, die von Verwaltungsgerichten abgelehnt wurden, nachträglich anerkannte.
FR 06.11.98


Kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz: Protest gegen Praxis der Sozialämter

Flüchtlingsberater sind beunruhigt über die Auswirkungen des verschärften Asylbewerberleistungsgesetzes, die sich beispielsweise an der Praxis von Berliner Sozialämtern beobachten lassen. Seit 1.9.1998 sind alle Leistungen für Personen gestrichen, die nach Ansicht der Ämter Leistungen mißbräuchlich in Anspruch nehmen oder ihre Abschiebung behindern. Nach Ansicht der Berater treibt die Praxis der Sozialämter die Flüchtlinge in die Illegalität und Obdachlosigkeit. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, wirft den Berliner Behörden vor, daß sie Gruppen von Menschen ohne soziale Grundversorgung ließen.
taz 03.11.98 // taz 09.11.98


Asyl-Altfallregelung: Uneinigkeit zwischen den Bundesländern und in der Koalition

Die Innenminister der Länder können sich nicht auf eine gemeinsame Linie beim Bleiberecht für schon lange hier lebende Flüchtlinge einigen und setzen eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema ein. Bayerns Innenminister Beckstein macht deutlich, daß die CDU/CSU-regierten Länder allenfalls Ausnahmen für sehr kleine Gruppen billigen würden. Auch zwischen SPD und Grünen gibt es unterschiedliche Auffassungen über die konkrete Umsetzung der im Koalitionspapier angekündigten einmaligen Altfallregelung: Die neue Ausländerbeauftragte des Bundes, Beck (Die Grünen), plädiert für Fristen von fünf Jahren Aufenthalt bei Alleinstehenden und drei Jahren bei Familien und setzt sich für einen sofortigen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge ein, die von dieser Regelung profitieren würden. Sie fordert, ein eigenständiger Lebensunterhalt dürfe nicht grundsätzliches Kriterium sein.
FR 05.11.98 // taz 16.11.98 // FAZ 21.11.98


Oberverwaltungsgericht: Abschiebung erst acht Wochen nach einer Entbindung

Unter Verweis auf den Anspruch jeder Mutter auf Schutz und Fürsorge entscheidet das Oberverwaltungsgericht Koblenz, daß Abschiebungen frühestens acht Wochen nach einer Geburt erfolgen dürfen. Diese Zeitspanne lehne sich an das arbeitsrechtliche Beschäftigungsverbot an.
SZ 04.11.98


Gericht erklärt islamischen Unterricht an Berliner Schulen für zulässig

Die Berliner Schulverwaltung verliert einen Rechtsstreit gegen die "Islamische Föderation in Berlin e.V."; sie muß den Verein als Religionsgemeinschaft anerkennen und ihm damit ermöglichen, an Berliner Schulen islamischen Religionsunterricht abzuhalten. Letzteres lehnte die Schulverwaltung bislang ab, da sie den verschiedenen islamischen Vereinen eine klare Organisationsstruktur und ausreichenden religiösen Konsens untereinander absprach. Das Urteil stellt jedoch keine endgültige Zulassung zum Schulunterricht dar: Die Schulverwaltung könnte unter Hinweis darauf, daß der Verein der fundamentalistischen Organisation "Milli Görüs" nahesteht, neue Ablehnungsgründe geltend machen.
FAZ 05.11.98 // Welt 05.11.98


Bundeskanzler Schröder spricht in seiner ersten Regierungserklärung über Integration

In seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler spricht Gerhard Schröder von einer "entschiedenen Politik der Integration". Er fordert die hier lebenden Ausländer auf, aktiv an ihrer Integration mitzuwirken und betont gleichzeitig, die Deutschen würden "denen, die dauerhaft hier leben, arbeiten und ihre Steuern zahlen, die Hand reichen, damit sie sich in unsere Demokratie einbringen können.". Der Bundeskanzler vermerkt zur Diskussion um das Staatsangehörigkeitsrecht: "Unser Nationalbewußtsein basiert nicht auf den Traditionen eines "Abstammungsrechts", sondern auf der Selbstgewißheit unserer Demokratie".
Welt 11.11.98


Gerd Poppe ist neuer Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und jetzige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gerd Poppe, ist neuer Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Sein Amt ist dem Auswärtigen Amt unterstellt und hat beratende Funktion. Poppe kündigt an, er werde auch mit autoritären Regimen den Dialog suchen, wenn es der Durchsetzung der Menschenrechte dienlich sei.
Welt 18.11.98


Schily löst mit Äußerung gegen weitere Zuwanderung Diskussion um Zuwanderungsgesetz aus

In einem Zeitungsinterview erklärt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), daß Deutschland keine weitere Zuwanderung verkraften könne. Ein Einwanderungsgesetz hält er für unnötig, weil darin die Zuwanderungsquote auf Null festgelegt werden müsse. Der Minister spricht sich auch dagegen aus, nicht-staatliche Verfolgung als Asylgrund anzuerkennen; dies sei "nicht mehr handhabbar". Schily stellt später klar, er habe sich auf die aktuelle Situation bezogen und lehne Zuwanderung nicht grundsätzlich ab. Auch werde Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen nachkommen. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) nennt Schilys Aussagen "bemerkenswert realistisch und erfreulich deutlich" und kündigt eine Initiative Bayerns im Bundesrat an, um den Zuzug nach Deutschland zu begrenzen; auch Bundeskanzler Gerhard Schröder stellt sich hinter Schily und unterstreicht, daß Deutschland die meisten Zuwanderer in Europa aufnimmt. Kritik am Bundesinnenminister kommt aus den Reihen der Grünen und der FDP: Die Bundesausländerbeauftragte Marieluise Beck fordert, Schily solle auf Formulierungen wie "Belastungsgrenze" verzichten und anerkennen, daß Deutschland auch in Zukunft auf Einwanderung angewiesen sei. Die FDP bringt ihren Entwurf eines "Zuwanderungsregelungsgesetzes" in den Bundestag ein, unterliegt aber bei der Abstimmung darüber klar. Der Entwurf sah jährliche Höchstgrenzen für zuwandernde Aussiedler und Arbeitsmigranten vor.
SZ 16.11.98 // Welt 16.11.98 // FR 16.11.98 // FR 18.11.98 // FAZ 18.11.98 // dpa 19.11.98 // NZ 25.11.98 // dpa 25.11.98


Gesellschaft für bedrohte Völker: Ehemalige bosnische Häftlinge besser schützen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert, den ehemaligen Häftlingen bosnischer Gefangenenlager einen umfassenden Abschiebeschutz zu gewähren. Die GfbV spricht von ca. 1.000 Betroffenen, von denen jedoch viele nicht als Härtefall anerkannt seien, weil dazu eine durchgehende ärztliche Behandlung seit 1995 nachgewiesen werden müsse. Eine Rückkehr in den serbisch kontrollierten Teil Bosniens käme nach Meinung der GbfV für diese Menschen einem "zweiten Flüchtlingsdasein" gleich.
dpa 17.11.98


Bundesländer stellen bisherige Praxis der Abschiebehaft in Frage

Nach dem Selbstmord eines 16jährigen abgelehnten Asylbewerbers aus Indien in der Jugendhaftanstalt Halle beabsichtigt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt eine separate Unterbringung der Abschiebehäftlinge. Rheinland-Pfalz plant die Errichtung einer "Landesunterkunft für Ausreisepflichtige" mit Betreuungsangeboten im psychosozialen und ausländerrechtlichen Bereich. Dagegen soll Abschiebehaft nur das äußerste Mittel zur Durchsetzung der Ausreisepflicht sein. Mecklenburg-Vorpommern will zukünftig ganz auf das Mittel der Abschiebehaft verzichten: Ministerpräsident Harald Ringstorff spricht sich für eine Lösung außerhalb des Strafvollzugs aus.
dpa 11.11.98 // dpa 17.11.98 // dpa 26.11.98


Bayern: "Mehmet" wird abgeschoben

Der 14jährige türkische Serienstraftäter "Mehmet" und sein Anwalt scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) mit dem Versuch, die drohende Abschiebung des Jungen per Einstweiliger Anordnung zu verhindern. Daraufhin schiebt Bayern "Mehmet" in die Türkei ab. Es wird jedoch im Fall des Jungen zu einem Hauptsacheverfahren vor dem BVG kommen, und in diesem hat "Mehmet" durchaus Chancen, daß seine Abschiebung rückwirkend für rechtswidrig erklärt wird. Experten verweisen auf einschlägige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach denen die Abschiebung in das Land der Eltern dann unzulässig ist, wenn die Beziehung des Kindes zu diesem Land rein formal ist, also nur im Besitz des jeweiligen Passes besteht.
FAZ 14.11.98 // dpa 16.11.98


Verteidigungsminister und Bosnienbeauftragter gegen übereilte Flüchtlingsrückkehr

Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) spricht sich nach einem Besuch in Sarajewo gegen einen festen Zeitpunkt für die Rückkehr der verbliebenen Bosnienflüchtlinge aus. Der Minister mahnt zur sorgfältigeren Prüfung der Einzelfälle; gleichzeitig kritisiert er die Politik der EU und ziviler Organisationen in Bosnien als zu bürokratisch. Der frühere Bremer Bürgermeister und EU-Administrator von Mostar, Hans Koschnick (SPD), ist der neue Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung. Er erklärt, es gehe nicht um die bloße Rückführung, sondern um eine Perspektive für die der Flüchtlinge in ihrem Land. Koschnick will durch die Vergabe von Finanzmitteln Druck auf die Verantwortlichen in Bosnien ausüben, um den Fortgang des Friedensprozesses zu garantieren. Der Vorgänger Koschnicks, Dietmar Schlee (CDU) erklärt in einer Bilanz seiner Amtszeit, daß von den 345.000 in Deutschland aufgenommenen Bosnien-Flüchtlingen mehr als 265.000 in ihre Heimat zurückgekehrt oder in ein Drittland weitergewandert seien.
FAZ 25.11.98 // SZ 26.11.98 // dpa 27.11.98 // SZ 28.11.98


Aussiedlerpolitik: Nur leichte Akzentverschiebungen unter der neuen Bundesregierung

Die neue Bundesregierung wird die Grundzüge der bisherigen Aussiedlerpolitik unangetastet lassen. Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, man wolle die bislang in ihren Herkunftsländern gebliebenen Menschen nicht verunsichern. Allerdings will das Ministerium alle Fördermittel prüfen, um den uneffektiven Einsatz von Steuergeldern zu vermeiden. Die Regierung hält die Hilfen für die Eingliederung der Spätaussiedler in Deutschland nicht für ausreichend und will z. B. die Kürzungen bei den Sprachkursen wieder zurücknehmen. Neuer Beauftragter für Aussiedlerfragen ist der SPD-Abgeordnete Jochen Welt.
FAZ 23.11.98 // FAZ 03.12.98


Bundespräsident Herzog befürwortet öffentliche Debatte um Ausländerzuzug

Nach Ansicht von Bundespräsident Roman Herzog ist in der Bevölkerung der Eindruck entstanden, die politisch Verantwortlichen hätten die Lage beim Thema Einwanderung nicht unter Kontrolle. Um eine Verunsicherung der Bürger zu vermeiden und die Integrationschancen zu erhöhen, muß laut Herzog der Zuzug möglichst überschaubar gestaltet sein. Der Bundespräsident fordert zudem, den Begriff Integration klar zu definieren.
FR 28.11.98


Bundesinnenminister will islamische Religionsgemeinschaften rechtlich aufwerten

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) plädiert dafür, islamische Religionsgemeinschaften nach dem Vorbild der christlichen Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anzuerkennen. Eine solche Einstufung hätte für die Gemeinschaften erhebliche faktische Vorteile, z.B. staatliche Zuwendungen und Steuerbefreiungen. Der Minister sieht die Vorteile für den Staat darin, daß die Politik dann feste Ansprechpartner hätte und eine rechtliche Basis für islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen entstehe. Positiv auf Schilys Aussagen reagiert der Islamrat, ein bundesweiter Dachverband: Der Vorsitzende, Hasan Özdogan, erklärt, man sei auf die Statusaufwertung vorbereitet und zu jeder Mitarbeit bereit. Dagegen äußern Politiker von CDU/CSU Bedenken, weil es zu viele unterschiedliche islamische Gruppen gebe.
SZ 30.11.98 // Welt 01.12.98 // taz 03.12.98


Asylstatistik

Im November stellten 10.883 Personen einen Antrag auf politisches Asyl. Die Zahl der Anträge stieg gegenüber dem Vormonat um 3,2%, im Vergleich mit November 1997 ist ein deutlicher Anstieg um nahezu 30 % zu verzeichnen. Hauptherkunftsland ist unverändert die Bundesrepublik Jugoslawien, allerdings ging die Zahl der Antragssteller von dort erstmals wieder leicht zurück. Mehr Flüchtlinge meldeten sich dagegen aus der Türkei, dem Irak und Armenien. Die Anerkennungsquote lag im November bei 3,5 %.
Pressemitteilung BMI 04.12.98

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