efms Migration Report
Oktober 2004 | | | | |
EU: Fünf
Pilotprojekte für Flüchtlingszentren in Nordafrika
Am
30.09.04 verständigten sich die 25 Innen- und Justizminister der EU-Staaten bei einem
Treffen im niederländischen Scheveningen darauf, fünf Pilotprojekte für
Flüchtlingszentren in Nordafrika einzurichten. Zusammen mit dem
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der niederländischen
EU-Ratspräsidentschaft will man Tunesien, Libyen, Algerien, Marokko und
Mauretanien helfen, eigene solide Asylsysteme aufzubauen und europäische Standards
bei der Aufnahme von Flüchtlingen einzuhalten. Die EU-Kommission soll bis Juni
2005 Details ausarbeiten. Im Dezember 2005 würden die Einrichtungen dann in
Betrieb genommen. Die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mit italienischer
Unterstützung in die Debatte gebrachte Idee, in Nordafrika eigene Zentren für
auf See aufgegriffene Flüchtlinge einzurichten und Asylverfahren
durchzuführen, bleibt umstritten. Der Vorschlag wird von Schweden, Spanien und
Frankreich abgelehnt, von Österreich, Italien, Großbritannien, Dänemark,
Polen und Belgien dagegen befürwortet. EU-Kommissar Antonio Vitorino betonte,
Schilys Idee sei "undenkbar", solange die EU kein echtes einheitliches
Asylsystem besitze. Die Kommission wurde dennoch damit beauftragt, Schilys Vorschlag zu
prüfen. Auch untersucht werden soll die Möglichkeit einer von Schily
angeregten Clearing-Stelle für Wirtschaftsflüchtlinge. BZ 01.10.04 // FTD 01.10.04 // FR 02.10.04 // Die Welt 02.10.04 //
SZ 03.10.04 // Handelsblatt 22.10.04 // taz 26.10.04
Haager Programm
für eine europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik
Am
25.10.04 trafen sich die EU-Innen- und Justizminister in Luxemburg, um über das "Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht"
für eine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik zu debattieren. Dabei
zeigten sie zwar Einigkeit über das Ziel einer weiteren Angleichung, nicht jedoch
über die konkrete Ausgestaltung sowie den Zeitplan. Deutschland und einige andere
Länder halten eine für 2007 vorgesehene Beurteilung über die
Wirksamkeit der seit Tampere 1999 erlassenen Harmonisierungsrichtlinien für
übereilt und befürworten eine Auswertung 2008. Die Einführung eines
gemeinsamen Asylsystems bis 2010 wird von Deutschland, Großbritannien, Spanien,
Portugal, Griechenland, Irland, Dänemark und Finnland als zu verfrüht
abgelehnt, von Schweden, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Ungarn
und Luxemburg wie auch EU-Innen- und Justizkommissar Antonio Vitorino dagegen
angestrebt. Ebenfalls strittig bleibt die Einführung des Entscheidungsverfahrens der
qualifizierten Mehrheit für alle Fragen der Asylpolitik, der Einwanderung und des
Schutzes der EU-Außengrenzen. Während EU-Kommissar Vitorino und
Großbritannien dafür plädieren, bleibt Bundesinnenminister Otto Schily
(SPD) skeptisch. Die niederländische Ratspräsidentschaft will die
Einwände jetzt in einer Note zusammenfassen, an den meisten Vorschlägen
jedoch festhalten. FAZ 26.10.2004 // Die Welt 26.10.04 // International Herald Tribune
26.10.04 // taz 26.10.04
EU-Innenminister einigen sich auf Pässe mit
biometrischen Daten
Die EU-Innenminister einigten sich darauf,
in neuen Pässen künftig zwei biometrische Daten, Fingerabdruck und ein
digitalisiertes Foto, in einem Chip zu speichern. In Kürze soll es eine entsprechende
Verordnung der EU-Kommission geben. Laut Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will
Deutschland schon Ende 2005 mit der Ausgabe der neuen Pässe beginnen. Erforderlich
werden die neuen Pässe für die USA, die beabsichtigen, ab Oktober 2005
Pässe mit mindestens einem dieser Merkmale für visafreie Einreisen
vorzuschreiben. BZ
27.10.04
EuGH-Urteil: Ausweisungsschutz für türkische
Familienangehörige betrifft nicht nur Blutsverwandte
Straffällig gewordene, in Deutschland lebende Türken, genießen
aufgrund eines 1980 mit der Türkei geschlossenen Assoziationsabkommens als
Familienangehörige einen besonderen Ausweisungsschutz. Wie der EuGH jetzt im
Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens (2004/C-275/02) bestimmte, umfasst der Begriff
des Familienangehörigen nicht nur Blutsverwandte. Im vorliegenden Fall sei der
Straftäter als Familienangehöriger anzusehen, da er die Genehmigung hatte zu
seinem türkischen Stiefvater zu ziehen und dieser als Arbeitnehmer dem
regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehöre. FAZ 01.10.2004
Abschiebung Kaplans nach
21 Jahren in Deutschland
Der selbst ernannte "Kalif von
Köln", Metin Kaplan (51), ist nach 21 Jahren und jahrelangen juristischen
Auseinandersetzungen vom Düsseldorfer Flughafen aus in die Türkei
abgeschoben worden. Das Verwaltungsgericht Köln hatte entschieden, dass Kaplan
trotz eines laufenden Berufungsverfahrens abgeschoben werden kann. Er sei als
Identifikationsfigur für den islamischen Terrorismus anzusehen. Sein Interesse an
einem Verbleib in Deutschland habe hinter dem öffentlichen Interesse an seiner
sofortigen Abschiebung zurückstehen. In der Türkei erwartet Kaplan ein
Strafverfahren. Ihm wird vorgeworfen, Drahtzieher eines 1998 geplanten Anschlags in der
Türkei auf tausende Militärangehörige und Würdenträger aus
dem In- und Ausland gewesen zu sein. SZ 13.10.04 // FAZ 13.10.2004
Erstes Jahresgutachten des Sachverständigenrates für
Zuwanderung und Integration
Die Vorsitzende des
Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration, Rita Süssmuth
(CDU), übergab Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am 19.10.04 das erste
Jahresgutachten der Kommission. In dem Gutachten rät das sechsköpfige
Expertengremium zu verstärkten Integrationsangeboten. Ganztagsschulen, die
besonders für Migrantenkinder hilfreich seien, sollten ausgebaut und mehr
Finanzmittel für Sprachkurse zur Verfügung gestellt werden. Ferner werden
Bleibeperspektiven für langjährig Geduldete, sowie die Prüfung von
Legalisierungsmaßnahmen und humanitäre Hilfen für illegal in
Deutschland lebende Ausländer empfohlen. Eine politische Kontroverse löste
der Vorschlag aus, ein System einzuführen, das "die Zuwanderung von
Qualifizierten in solche Teilzeitarbeitsmärkte ermöglicht, die durch einen
Arbeitskräftemangel gekennzeichnet sind". Nach Ansicht des Rates braucht
Deutschland trotz hoher Arbeitslosigkeit eine begrenzte Zuwanderung ausländischer
Arbeitskräfte, um sein hohes Wohlstandsniveau zu halten und den demographischen
Wandel auszugleichen. Allein 2005 benötige Deutschland vor allem im
Gesundheitswesen, Maschinenbau und Finanzdienstleistungsbereich 25.000 so genannte "Engpass-Arbeitskräfte". In der Union und bei mehreren
führenden SPD-Politikern stieß der Vorschlag auf Ablehnung. Schily reagierte
reserviert und kündigte an, man werde die Idee "sehr, sehr
sorgfältig" prüfen. Zustimmung gab es dagegen von den Grünen:
Der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck kritisierte eine "vorschnelle Zurückweisung" der Sachverständigenempfehlung
als "leichtfertig und auch nicht zukunftsfähig". Der Spiegel 19.10.2004 // ND 20.10.2004 // FR
20.1.2004 // Die Welt 20.10.2004 // NN 20.10.2004 // Die Welt 21.10.2004 // FAZ
21.10.2004 // FR 21.10.2004
Zuwanderungsgesetz: Einrichtung von
Härtefallkommissionen
Während Sachsen-Anhalt und Hessen
auf Härtefallkommissionen für Asylfälle nach dem neuen
Zuwanderungsgesetz verzichten, einigten sich CDU und SPD in Brandenburg auf eine solche
Einrichtung in ihrem Bundesland. Die Einrichtung der Kommission war lange Zeit auf den
Widerstand des brandenburgischen Innenministers und CDU-Chefs Jörg
Schönbohm gestoßen. Nordrhein-Westfahlen besitzt bereits seit acht Jahren eine
Härtefallkommission im Innenministerium, die Vertreter der Kirchen, von
Wohlfahrtsverbänden, des Flüchtlingsrats und der Organisation Pro Asyl
umfasst. Einer aktuellen Bilanz zufolge wandten sich bisher mehr als 4.500 Ausländer
an die Kommission, etwa 1.000 Ausländer und ihre Familien erhielten ein
längeres Aufenthaltsrecht. FAZ 21.10.2004 // BZ 29.10.2004
Kopftuchverbote in den
einzelnen Bundesländern
Nach Baden-Württemberg,
Niedersachsen und dem Saarland hat Hessen als viertes Bundesland ein Gesetz zum
Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen verabschiedet. Dabei geht das hessische
Gesetz deutlich über die Regelungen der anderen Bundesländer hinaus: Das
Verbot betrifft generell alle Beamtinnen. Ein im Bundesland Berlin debattiertes
Neutralitätsgesetz soll alle deutlich sichtbaren religiösen Symbole,
ausgenommen Schmuckstücke, im öffentlichen Dienst verbieten. Noch ist
unklar, ob die Gesetze vor Gericht Bestand haben werden. Gegen die
baden-württembergische Regelung, die alle "politischen, religiösen,
weltanschaulichen Bekundungen" untersagt, welche die Neutralität des Staates
oder den Schulfrieden gefährden können, klagte die muslimische Lehrerin,
Fereshta Ludin, Ende Juni 2004 vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im jetzt
veröffentlichten Urteil heißt es, dass Gesetz biete eine ausreichende
Rechtsgrundlage, um der Klägerin die Einstellung als Beamtin zu versagen. Allerdings
gelte auch die "strikte Gleichbehandlung" der Religionen, die "Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter
Kleidung" ausschließe. Die Interpretation dieses Urteils führte zu einer
rechtstheoretischen Debatte. Während Kultusministerin Annette Schavan
überzeugt ist, dass das "Tragen einer Ordenstracht" als "Darstellung christlicher Traditionen als historische Wurzeln der Identität des
Landes" weiterhin erlaubt sei, vertreten der Fraktionschef der Grünen im
Stuttgarter Landtag und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, Winfried Kretschmann,
sowie der Freiburger Staatsrechtler und Ex-Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang
Böckenförde die Ansicht, das Verbot sei eindeutig und betreffe auch Kreuz und
Kippa. SZ 06.10.04 // BZ 06.10.04 // FAZ
10.10.04 // SZ 12.10.2004 // Der Spiegel 18.10.04 // FR 18.10.04 // BZ
29.10.04
Auswärtiges Amt
verschärft Visa-Regeln
Das Auswärtige Amt (AA) will die
Einreisebestimmungen nach Deutschland verschärfen. Der sog. "Volmer-Erlass" wird ersetzt. Damit reagierte das Außenministerium
auf Unregelmäßigkeiten bei der Erteilung von Visa an einigen Deutschen
Botschaften. Mit dem "Chroborg-Erlass", benannt nach Jürgen
Chroborg, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, werden die deutschen
Botschaften und Konsulate künftig dazu verpflichtet, dem Antragsteller die Einreise zu
verweigern, wenn Zweifel an der Rückkehrwilligkeit bestehen. Die Welt 18.10.2004
Asylstatistik
Im Oktober haben 2.898 Personen in
Deutschland Asyl beantragt. Damit stieg die Zahl der Asylbewerber gegenüber
September 2004 um 4,7% (+130 Personen), sank jedoch gegenüber Oktober 2003 um
33,3% (-1.445 Personen). Die Hauptherkunftsländer im Oktober 2004 waren Serbien
und Montenegro (319), Türkei (310) und die Russische Föderation (228) vor
Vietnam (155) und Irak (134). Das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge hat über die Anträge von 4.455 Personen
entschieden, von denen 58 Personen (1,3%) als asylberechtigt anerkannt wurden. Weitere 56
Personen (1,3%) erhielten Abschiebeschutz nach §51 Abs.1 AuslG. Abgelehnt wurden
die Anträge von 2.747 Personen (61,6%). Auf sonstige Weise, z.B. durch
Verfahrenseinstellung wegen Rücknahme des Asylantrags, wurden die Anträge
der übrigen 1.594 Personen (35,8%) erledigt. Pressemitteilung BMI 12.11.04 Oktober
2004 | | | | |
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