efms Migration Report
Oktober 2000 | | | | |
Zuwanderung, Integration und "Leitkultur": Die politische Debatte weitet sich aus Der Vorstoß des CDU-Fraktionschefs im Bundestag, Friedrich Merz, die Themen Einwanderung und Änderung der Asylgesetzgebung zu Schwerpunkten des Bundestagswahlkampfes zu machen, wird von Seiten der SPD, der Bündnisgrünen, der F.D.P. und PDS, aber auch in den eigenen Reihen kritisiert. Der Vorsitzenden der unabhängigen Zuwanderungskommission, Rita Süssmuth (CDU) zufolge darf "die Emotionalisierung gegen Ausländer
kein Wahlkampfthema sein". Die
CDU-Parteichefin, Angela Merkel hält dagegen, bestimmte Themen dürften nicht mit einem Verbot belegt werden. Allerdings sei es unsinnig, zwei Jahre vor dem Wahlkampf ein Thema festzulegen. Im Verlauf der Diskussion spricht sich die Bundesregierung zunehmend für eine Lösung der Debatte um Einwanderung und Asyl noch vor der nächsten Bundestagswahl aus. Nach Einschätzung des Vorsitzenden der CDU-Zuwanderungskommission, Peter Müller, plädiert die Mehrheit im CDU-Präsidium für einen überparteilichen Konsens in der Ausländerpolitik. Nach
Meinung
Müllers sollte ein Einwanderungsgesetz alle Arten von Zuwanderung
regeln, wobei das Integrationspotenzial der deutschen Gesellschaft nicht überschritten werden dürfe. Die CDU-Zuwanderungskommission sieht vor, ihre Ergebnisse doch erst Mitte kommenden Jahres vorzulegen und nicht, wie geplant, Ende diesen Jahres. Bündnis 90/ Die Grünen plädieren für ein 3-Säulen-Modell, das zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen aus politischen oder humanitären Gründen und Arbeitsmigranten unterscheidet. Sie halten flexible Quoten für sinnvoll, die alle 1-2 Jahre festgesetzt werden. Die Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen
hingegen soll von den Einwanderungsquoten unberührt bleiben. Die CSU spricht
sich für eine situationsabhängige Regelung von Quoten aus. Die Zuwanderung "spezialisierter Fachkräfte" soll jedoch nicht auf die Zuwanderung von Asylbewerbern und Aussiedlern "aufgesattelt" werden, vielmehr solle gelten: Je weniger Asylbewerber, desto mehr andere Ausländer. Die Äußerung von Merz: "Es geht im Wesentlichen darum, dass die hier lebenden Ausländer auch bereit sind, sich einer deutschen Leitkultur anzuschließen." weitet sich zu einer parteiübergreifenden Debatte über den Begriff der "Leitkultur" aus. Der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung,
Marieluise
Beck (Bündnis 90/ Die Grünen) zufolge sei der Begriff
eine Worthülse, die Integrationsanforderungen nur unzureichend beschreibe. Konsequente Integrationsförderung brauche keine Leitkultur sondern Leitlinien, wie z.B. die Anerkennung des deutschen Grundgesetzes und Kenntnisse der deutschen Sprache. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Zuwanderungskommission, Hans-Jochen Vogel (SPD) hält diese Anforderungen für unstreitig; sie sollten jedoch nicht durch den Begriff "Leitkultur" umschrieben werden, "die eine Art nationale(r) Überlegenheit anklingen" lässt. SPIEGEL ONLINE 10.10.00 // FR 11.10.00 // Welt 12.10.00
// SZ 13.10.00 // FAZ 17.10.00
// FAZ 18.10.00 // SPIEGEL ONLINE 18.10.00 // SZ 24.10.00 // FAZ 28.10.00 // Pressemitteilung BMI 30.10.00 // SZ 30.10.00 // FR 31.10.00 // NZ 31.10.00 // SPIEGEL ONLINE 31.10.00
NPD-Verbot Die Innenminister von Bund und Ländern stimmen gr"ßtenteils für ein Verbot der NPD, Hessen und Saarland enthalten sich der Stimme. Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD) zufolge seien sich die Innenminister darüber im Klaren, dass das NPD-Verbot nur ein Mosaikstein bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sein kann. Die Arbeitgeber des "ffentlichen Dienstes von Bund, Ländern und Gemeinden und die Gewerkschaften ÖTV und DAG rufen gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus auf. Die eingerichtete
Bundesgrenzschutz-Hotline, die unter anderem Hinweise auf rechtsextremistische Aktivitäten entgegennimmt, wird im ersten Monat von 600 Anrufern genutzt. 60% der Anrufe haben polizeiliche Relevanz. Pressemitteilung BMI 25.10.00 // SPIEGEL ONLINE 26.10.00
Green Card Bis zum 29. September 2000 wurden 2.140 ausländische IT-Spezialisten von deutschen Firmen eingestellt. Bis zum 4. Oktober 2000 bewarben sich 11.168 Interessenten bei der Bundesanstalt für Arbeit (BfA). Demgegenüber sind bei der BfA bislang 751 offene Stellen durch Unternehmen angemeldet worden. Weitere offene Stellen sind über die 30 Vermittlungsbörsen im Internet zu finden. Die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn registrierte bisher 30.673 Bewerberanfragen. Die Bundesregierung
geht davon
aus, dass die vorgesehenen 10.000
Green Cards ausgeschöpft werden, allerdings müsse das Angebot noch verstärkt von der Wirtschaft genutzt werden. Green Cards erteilten bisher vor allem Bayern (592) und Baden-Württemberg (439), in deutlichem Abstand zu Mecklenburg-Vorpommern (2), während in Sachsen-Anhalt keine einzige Green Card ausgestellt wurde. Der Hauptteil der Green Cards ging an Bewerber aus Indien (365), Spezialisten aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und den Baltischen Staaten (348) und Rumänen (212). Pressemitteilung BMI 6.10.00
Bundeskabinett verabschiedet Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht Das Bundeskabinett beschließt die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vorgelegte "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht", die das bundeseinheitliche Verfahren zur Einbürgerung sicher stellt. Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye fordert die Länder auf, insbesondere dann die Möglichkeit zur Ermäßigung der 500,- DM Gebühr zu nutzen, wenn mehrere Kinder unter 10 Jahren
aus einer Familie eingebürgert
werden. Pressemitteilung BMI 18.10.00 // FR 19.10.00
Arbeitsverbot für Asylbewerber nach einjähriger Wartezeit aufgehoben Nach einer Neuregelung, die spätestens zum 1. Januar 2001 in Form einer Verordnung in Kraft tritt, sollen Asylbewerber künftig nach einjähriger Wartezeit eine Arbeit aufnehmen können. Unter die Neuregelung fallen ca. 75.000 Personen. taz 17.10.00
Niedersächsische Bundesratsinitiative für gemeinsames Asylverfahren für Flüchtlingsfamilien Der Bundesrat beschließt auf Initiative Niedersachsens und Hessens die Einbringung des "Gesetzesentwurfs zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes" im Bundestag. Der Entwurf, der den Missbrauch von Asyl einschränken und Asylverfahren verkürzen soll, sieht für Flüchtlingsfamilien zukünftig nur noch ein gemeinsames Asylverfahren vor; Asylanträge von Kindern würden dann
automatisch
in das Verfahren ihrer Eltern miteinbezogen werden. Des weiteren sollen
"enge Angehörige" eines Familienmitglieds, dem Abschiebeschutz in Anlehnung an die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zugesprochen wurde, einen "Familienabschiebeschutz" erhalten. Das UNHCR begrüßt, dass durch ein entsprechendes Gesetz die Schutzbedürftigkeit einer Familie mit minderjährigen Kindern im Asylverfahren ohne Zeitverzug festgestellt wird. Auch würde der Aufenthaltsstatus der Familienmitglieder jener Schutzsuchenden verbessert werden, die nach der GFK anerkannt wurden. Das UNHCR kritisiert, dass dem Gesetzesentwurf zufolge Asylanträge von Kindern unter
16 Jahren
als unbegründet abgelehnt werden können,
wenn das Schutzbegehren des Sorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden ist. Die damit verbundene Implikation, Kinder hätten keine eigenen Asylgründe, berge die Gefahr, dass deren Asylanträge weniger sorgfältig geprüft würden. FR 23.8.00 // taz 8.9.00 // Pressemitteilung UNHCR 19.10.00 // Pressemitteilung BMI 20.10.00
Baden-Württemberg beschließt Bundesratsinitiative für ein "Gesetz zur Förderung der Integration von auf Dauer bleibeberechtigten Ausländern" Baden-Württemberg beschließt eine Bundesratsinitiative für ein "Gesetz zur Förderung der Integration von auf Dauer bleibeberechtigten Ausländern". Die Initiative sieht vor, dass legal eingereiste Ausländer, die einen Daueraufenthalt erlangen können, künftig unverzüglich nach ihrer Einreise an einem umfassenden
Eingliederungsprogramm teilnehmen sollen.
Das Programm soll 720 Pflichtstunden umfassen, in denen
Deutschkenntnisse in Wort und Schrift und Grundzüge der Rechtsordnung der BRD vermittelt werden sollen. Darüber hinaus soll dort eine erste gesellschaftliche und berufliche Orientierung erfolgen. Im Fall von Teilnahmeverweigerung sind Sanktionen vorgesehen: Die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung sei dann in der Regel ausgeschlossen, Bußgelder oder Kürzungen öffentlicher Gelder möglich. Zur Teilnahme am Eingliederungsprogramm verpflichtet wären Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge, während Ausländer, die am deutschen
Schulsystem teilnehmen
sowie Asylbewerber befreit wären. Den
Sanktionen steht jedoch auch ein Anreizsystem gegenüber. Bei besonderen Integrationsleistungen, wie z.B. ehrenamtlicher Tätigkeit oder Beherrschung der deutschen Sprache könnte die Aufenthaltserlaubnis nicht erst nach 5, sondern bereits nach 4 Jahren unbefristet erteilt werden. Für Arbeitsgenehmigungen sind ebenfalls entsprechende Verkürzungen vorgesehen. Pressemitteilung Baden-Württemberg 10.10.00 // taz 11.10.00
Illegale Einwanderung Der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD) zufolge werden jedes Jahr ca. eine halbe Million Menschen illegal in die EU geschleust. In diesem Zusammenhang fordert Sonntag-Wolgast eine weitere Angleichung der Rechtssysteme der EU in Bezug auf die Bestrafung illegalen Grenzübertrittes und von Schleusung. Die Grenzschutzdirektion Koblenz gibt an, in den ersten sechs Monaten 2000 sei die Zahl der an den Grenzen aufgegriffenen illegal eingereisten Ausländer
im Vergleich
zum ersten Halbjahr 1999 um 17,9% auf 15.217 Personen gesunken. Zugleich sei es zu einem Absinken der Zahl festgenommener Schleuser um 22,9% auf 1.373 Personen gekommen. FAZ 19.10.00
Bundesministerin Bergmann stellt Sechsten Familienbericht vor Erstmalig beschäftigte sich ein Familienbericht der Bundesregierung mit der Situation von Familien ausländischer Herkunft. Anlässlich der Vorstellung des Sechsten Familienberichts "Familien ausländischer Herkunft in Deutschland: Leistungen - Belastungen - Herausforderungen" gibt die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Christine Bergmann (SPD) einen Überblick über Stand und Perspektiven der Familienpolitik der Bundesregierung.
In die Analyse der unabhängigen
Sachverständigenkommission wurden sowohl ausländische, als auch eingebürgerte sowie Aussiedlerfamilien einbezogen. Laut Bericht lebten 1999 7,34 Millionen ausländische Staatsbürger in Deutschland, jedes achte in Deutschland geborene Kind hatte Ende 90er Jahre Eltern mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Inhaltliche Schwerpunkte wurden auf Einwanderungserfahrungen und -gründe gesetzt, auf die kulturelle Herkunft, die soziale Integration oder die Zugehörigkeit zu einer Minderheit. Pressemitteilung BMFSFJ 18.10.00 // Pressemitteilung Bundesregierung
20.10.00
Aussiedlerstatistik Im Oktober 2000 wurden 8.626 Spätaussiedler in Deutschland registriert. Im Oktober des Vorjahres waren es 12.038 Personen. Auch in diesem Jahr wird mit einem Gesamtzuzug von etwa 100.000 Personen gerechnet. Pressemitteilung BMI 31.10.00
Asylstatistik Im Oktober 2000 haben 7.684 Personen in Deutschland Asyl beantragt. Das sind 518 Personen mehr (7,2%) als im Vormonat. Im Vergleich zum Oktober 1999 hat sich die Zahl der Asylbewerber um 179 Personen (2,4%) erhöht. 697 Personen (10,4%) erhielten Abschiebeschutz in Anlehnung an die Genfer Flüchtlingskonvention. Hauptherkunftsländer im Oktober waren der Irak (1.174 Personen), die Türkei (958 Personen) und die Bundesrepublik Jugoslawien (911). Pressemitteilung BMI
8.11.00
Oktober 2000 | | | | |
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