efms Migration Report
Dezember 1995 | | | | |
Weiterführung der Asylrechtsverhandlung im Bundesverfassungsgericht Am 05.12.1995, dem vierten und letzten Verhandlungstag des Bundesverfassungsgerichts, muß die Bundesregierung Mängel am Asylrecht, die die Anwendung der "Drittstaatenregelung" und die Festlegung von "sicheren Herkunftsländern" betreffen, einräumen. Dennoch sieht der Innenminister die Asylrechtsreform durch die Verhandlung bestätigt. Das endgültige Urteil wird nicht vor Februar 1996 Jahres erwartet. In Erwartung des
Urteils der Karlsruher Richter über die Verfassungsmäßigkeit des Asylrechts flammt in der Bonner Koalition die kontroverse Diskussion neu auf. Die Positionen reichen von einer Rückkehr zum alten Asylrecht bis zum später widerrufenen Vorschlag des designierten Bundesjustizministers Schmidt-Jortzig (FDP), das Grundrecht auf Asyl vollständig abzuschaffen. SZ 06.12.95 // SZ 07.12.95 // dpa 17.12.95 // Welt 18.12.95 // FAZ 19.12.95
Erste Bundesorganisation zur Vertretung der Türken in Deutschland Am 02.12.1995 konstituiert sich der überparteiliche Dachverband "Türkische Gemeinde in Deutschland" (TGD), der als Interessenvertretung aller in Deutschland lebenden 2,1 Mio Türken wirken soll. Laut dem Vorsitzenden Keskin versteht sich der Zusammenschluß von über 3.000 Vereinen und Organisationen als Ansprechpartner auf Bundesebene für Parlament, Parteien und Öffentlichkeit; ein solcher sei in Anbetracht der dauerhaften
Präsenz der türkischen Bevölkerung und der wachsenden Zahl von Einbürgerugen dringend notwendig. Der Verband nimmt Stellung zur Integrationspolitik und dient als Forum für Öffentlichkeits-, Kulturarbeit und Beratung. Der vor drei Jahren gegründete "Rat der Türkischen Staatsbürger in Deutschland" (RTS) erklärt sich nicht einverstanden mit dem Anspruch der neuen "Türkischen Gemeinde" auf alleinige Vertretung der Türken, und erkennt die Dachorganisation nicht an. SZ 28.11.95 // dpa 28.11.95 // dpa 03.12.95 // dpa 04.12.95
Auslandstürken nicht beteiligt an türkischen Parlamentswahlen Erstmals ist es nach einer Verfassungsänderung theoretisch möglich, daß sich die in Deutschland lebenden Türken an der Parlamentswahl in Ankara am 24.12.1995 beteiligen. Die deutschen Behörden befürchten Krawalle der rivalisierenden Gruppen vor den Konsulaten, die den Deutschen am Heiligabend nicht zuzumuten seien. Wegen Sicherheitsbedenken und wegen der Befürchtung, daß die zahlreichen inoffiziellen "Doppelstaatler"
mit ihrer Wahlbeteiligung gegen das deutsche Recht verstoßen werden, stimmt das Bundesinnenministerium dem Urnengang nicht zu. Spiegel 20.11.95 // FAZ 02.12.95 // SZ 22.12.95 // Welt 21.12.95
Ghana kein sicheres Herkunftsland Die SPD-Bundestagsfraktion verlangt die Streichung Ghanas von der Liste der sicheren Herkunftsländer im Asylverfahren. Im Zusammenhang mit der Asylverhandlung des Verfassungsgerichts wird dem Auswärtigen Amt vorgeworfen, nicht gründlich und sogar falsch über die Menschenrechtslage informiert zu sein. dpa 11.12.95 // SZ 13.12.95
Langsame Rückführung von Vietnamesen Die vereinbarte Rückführung von illegal in Deutschland lebenden Vietnamesen geht nur schleppend voran; seit Vertragsabschluß im Sommer wurden erst etwa 30 Personen abgeschoben. Bis zum Ende des Jahres waren allerdings 2.500 Abschiebungen geplant. Der Grund für die Verzögerungen ist die vietnamesische Bürokratie: Die Identität der Abzuschiebenden wird von den Behörden in Einzelfallprüfungen festgestellt. dpa
10.12.95
Innenminister beraten über Ex-DDR-Vetragsarbeiter Auf der Innenministerkonferenz in Erfurt fordern Vertreter von Flüchtlingshilfsorganisationen ein dauerndes Bleiberecht für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam und beklagen die ungleiche Behandlung von westdeutschen "Gastarbeitern" und Vertragsarbeitern aus DDR-Zeiten. FR 15.12.95
Änderungen des Ausländerrechts zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität Im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz zur Bekämpfung von organsierter Kriminalität gelten Menschenhandel, illegale Einschleusung von Ausländern, Verleitung zu mißbräuchlicher Asylantragstellung u.a. als Straftaten. Die Innenpolitiker der Koalition beschließen weitere Änderungen des Ausländerrechts: Ausländer, die zu einer 3-jährigen Haftstrafe verurteilt wurden, werden ausgewiesen
(bisher erfolgte Abschiebung erst nach einmaliger Verurteilung von 5 Jahren oder mehreren Verurteilungen von insgesamt 8 Jahren); schwerer Landfriedensbruch gilt als Abschiebungsgrund. FAZ 09.12.95
Innenminister beschließen Rückführung der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge Auf ihrer Konferenz in Erfurt einigen sich die Innenminister von Bund und Ländern darauf, den bis 31. März geltenden Abschiebestopp für bosnische Flüchtlinge nicht zu verlängern. Die 320.000 Bosnier sollen ab Frühjahr "gestaffelt" in ihre Heimat zurückkehren. Amnesty International, die Grünen, das Rote Kreuz und die evangelische Kirche warnen vor "Zwangsanschiebungen" in ein unsicheres
Land. Die Ausländerbeauftragte Schmalz-Jacobsen fordert eine Konferenz zur Organisation der Rückführung. FR 16.12.95 // FR 18.12.95 // SZ 20.1.2995 // FR 20.12.95 // NZ 20.12.95 // dpa 20.12.95 // FAZ 21.12.95
Kooperation mit Rumänien gegen organisierte Kriminalität Die Innenminister Deutschlands und Rumäniens vereinbaren ein Abkommen, das die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität regelt. In erster Linie geht es der deutschen Polizei um Kooperation mit der rumänischen Polizei bei der Bekämpfung von rumänischen "Tresorknackerbanden", die allein 1994 rund 5.000 Straftaten begangen haben. FR 09.12.95
Hessen: Kommune zahlt nicht für Bosnienflüchtlinge Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiebaden beendet den Rechtsstreit um die Unterbringungskosten für bosnische Flüchtlinge zugunsten der Kommunen. Das Gericht hob nach den Klagen der Stadt Frankfurt und des Main-Kinzig-Kreises 3 Erlasse des hessischen Innenministeriums als rechtswidrig auf, die den Kommunen die Aufnahme und damit verbundenen Kosten aufbürdeteten. SZ 13.12.95
Nordrhein-Westfalen: Härtefallkommission für Asylbewerber Auf Beschluß von SPD und Grünen können sich Asylbewerber, die sich durch eine Abschiebung in ihre Heimat einer unzumutbaren Gefährdung ausgesetzt sehen, an eine Härtefallkommission wenden. Eine ähnliche Instanz existiert bereits in Berlin. Der Kommission, die mit Beginn des nächsten Jahres ihre Arbeit aufnehmen wird, gehören Vertreter von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Bürgerrechtsorganisationen
sowie
von Innen- und Sozialministerium an. Sie soll einerseits den Ausländerbehörden Migration Guide und Ratschläge geben und Abschiebungen hinauszögern können. Darüberhinaus erwartet das Innenministerium von den Empfehlungen der Kommission Erkenntnisse, die bei der Gestaltung des bundesweit geltenden Ausländer- und Asylrechts hilfreich sein können. SZ 14.12.95 // dpa 14.12.95
Bundespräsident im Dialog mit Muslimen Bei einem Treffen mit 14 Repräsentanten muslimischer Organisationen in Deutschland informiert sich Bundespräsident Herzog über Probleme in Deutschland lebender Muslime. Die Vertreter klagen besonders über den fehlenden Status als rechtlich anerkannte Körperschaft, und über den fehlenden Religionsunterricht; sie distanzieren sich von extremistischen Strömungen innerhalb der islamischen Gemeinschaft. SZ 13.12.95
Bayern: Klage wegen Diskriminierung der Ausländer bei Kommunalwahlen Die Grünen wollen mit einer Klage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof die von der EU geforderte Gleichbehandlung von Deutschen und in Deutschalnd lebenden EU-Bürgern durchsetzen: Sie fordern, daß die rund 260.000 wahlberechtigten EU-Bürger für die Kommunalwahlen im März automatisch in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden. Lediglich in Bayern und Sachsen müssen die Wähler zusätzliche
bürokratische Hürden überwinden und ihre Wahlbenachrichtigung stets aufs neue beantragen. Bisher haben sich nach Angaben des Stadtrats erst 12% der Wahlberechtigten eingetragen. SZ 20.12.95 // SZ 29.12.95
Statistik: Streit der jüdischen Gemeinden über Mitgliederzahlen Durch den Zuzug jüdischer Emigranten aus Osteuropa entstehen Probleme in der Statistik. Seit 1989 sind nach Angaben des Bundesverwaltungsamts knapp 40.000 Juden aus der früheren Sowjetunion eingewandert, wodurch sich die Zahl der in Deutschland lebenden Juden mehr als verdoppelt habe. Die Statistik des Zentralrats der Juden in Deutschland verzeichnet hingegen bisher nur 20.000 Neuakömmlinge. Es wurden bereits viele gefälschte Papiere aufgedeckt.
Es besteht sowohl bei den deutschen Behörden als auch bei den jüdischen Gemeinden Unklarheit darüber, wer Jude ist und wer dies bestimmen kann. FR 05.12.95
Statistik: 7 Mio. Ausländer in Deutschland Laut einem Bericht der Bundesregierung lebten Ende 1994 über 6,99 Mio. Ausländer in Deuschland, was einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von 8,6% ausmacht. Weniger als ein Viertel der Ausländer stammt aus einem EU-Staat. Die größte Gruppe der Ausländer bilden die knapp 1,97 Mio. Türken, es folgen rund 1,3 Mio. Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und 571.900 Italiener. Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge betrug
1994 etwa 1,75 Mio. (1993 waren es rund 2 Mio., 1995 etwa 610.000), unter denen sich rund 267.000 Asylberechtigte mit Familien, 650.000 de facto-Flüchtlinge, 415.000 Asylbewerber und 350.000 Bürgerkriegsflüchtlinge befinden. SZ 13.12.95
Statistik: Rückgang rechtsextremer Delikte Aus dem neuen Lagebericht des Bundesamts für Verfassungsschutz geht hervor, daß die rechtsextreme Gewalt im Jahr 1995 rückläufig ist. Im ersten Halbjahr 1995 wurden 30% weniger Delikte als in der ersten Hälfte des Vorjahrs registriert. Bis August waren es 904 Straftaten. Den Höhepunkt der rechtextremen Gewaltwelle nach der deutschen Wiedervereinigung verzeichneten die Sicherheitsbehörden 1992 mit 2.639 Straftaten. 1993 waren es noch 2232 Delikte;
seit 1994 sind die Gewalttaten rückläufig. Auch rechtsextreme Parteien erhielten weniger Zustimmung. Das rechtsextremistische Potential in Deutschland umfaßt laut Statistik des Verfassungschutzes nicht mehr rund 64.500 Personen wie im Jahr 1993, sondern derzeit 56.600. Dennoch gibt das Bundesamt in Anbetracht der Aktivitäten der bewaffneten Neonazi-Szene keine Entwarnung. Welt 12.12.95
Statistik: Weniger Aussiedler Nach Angaben des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Waffenschmidt, kamen 1995 weniger deutschstämmige Spätaussiedler aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland (217.898 Personen im Vergleich zu 222.591 im Vorjahr), jedoch stellten mehr Personen in diesen Gebieten einen Aufnahmeantrag (260.556 Anträge im Vergleich zu 237.291 im Vorjahr). Viele Deutschstämmige bemühten sich um den Aufnahmebescheid zur Sicherheit "für den Notfall".
SZ 02.01.95
Asylstatistik Die Zahl der Asylanträge im Dezember betrug 10.400 (Dezember des Vorjahres: 12.186). Die Jahresstatistik für 1995 zeigt: Die Asylbewerberzahlen sind im Vergleich zu 1994 konstant geblieben, insgesamt beantragten 127.937 Flüchtlinge Asyl (727 mehr als 1994). 9% der Anträge wurden anerkannt. Zweieinhalb Jahre nach der Asylrechtsänderung hat sich die Zahl auf etwa 10.000 Flüchtlinge pro Monat eingependelt. Wie auch im Vorjahr stammte 1995 fast die Hälfte der Flüchtlinge
aus Ex-Jugoslawien oder der Türkei. Besonders der Zustrom aus Rumänien und Bulgarien wurde nach der Asylrechtsänderung 1993 eingedämmt; Bundesinnenminister Kanther zeigt sich zufrieden mit der Asylpolitik, hält jedoch die Flüchtlingszahlen weiterhin für zu hoch. SZ 10.01.95 // Pressereferat des BMI 09.01.96 // FAZ 10.01.96
Dezember 1995 | | | | |
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