efms Migration Report
März 1999 | | | | |
Neuer Gesetzentwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitrechts vorgelegt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) stellt einen zweiten Gesetzentwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitrechts vor, der sich stark am sogenannten "Optionsmodell" der FDP orientiert. Die Kernpunkte des Entwurfs sind: In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erwerben mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, müssen sich aber zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr entweder für den deutschen oder den ausländischen
Paß entscheiden; Kinder bis zum zehnten Lebensjahr werden in die Regelung einbezogen. Wie im ersten Gesetzentwurf ist weiterhin eine auf acht Jahre verkürzte Einbürgerungsfrist für erwachsene Ausländer vorgesehen; als Bedingungen werden "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache", ein "Bekenntnis zum Grundgesetz", Straflosigkeit und Unterhaltsfähigkeit genannt. Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bleibt erhalten; Ausnahmeregelungen sollen im Einzelfall gelten, wenn die Entlassung aus der alten Staatsangehörigkeit unzumutbar schwierig, teuer oder für ältere
Antragssteller belastend wäre. Der Gesetzentwurf sieht ferner weniger Bürokratie bei Einbürgerungen vor, indem Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler automatisch kraft Gesetz Deutsche werden und die Verwaltungsbehörden nicht mehr vor jeder Einbürgerung die Zustimmung des Bundesinnenministeriums einholen müssen. Minister Schily betont, auch ohne die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft setze man "ein deutliches Zeichen, daß Deutschland ein weltoffenes und modernes Land" sei und europäische Standards übernehme. Verfasssungsrechtliche
Bedenken könnten durch die Feinarbeit an Formulierungen ausgeräumt werden; in der Verwaltungspraxis werfe der Entwurf allerdings "einige Schwierigkeiten" auf. Die CDU/CSU lehnt den Gesetzentwurf mehrheitlich ab, da er die doppelte Staatsangehörigkeit "durch die Hintertür" einführe. Der Bundesausländerbeirat kritisiert, der Entwurf sei kein echtes Angebot für die erste und zweite Migrantengeneration und gehe an der Lebenswirklichkeit der Ausländer vorbei. FR 13.03.99 // SZ 13.03.99 // FAZ 16.03.99 // Pressemitteilung BMI 16.03.99 // NN 17.03.99
Frage der Abschiebung kurdischer Gewalttäter beschäftigt Politik und Justiz Die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen haben bislang vier türkische Kurden in die Türkei abgeschoben, weil sie sich an gewälttätigen Aktionen gegen die Verhaftung des PKK-Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Öcalan, beteiligt hatten. Einer von ihnen wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in Istanbul festgenommen. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen fordern einen Abschiebestopp
für politisch aktive Kurden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) läßt die Rechtmäßigkeit der Abschiebung von straffällig gewordenen PKK-Anhängern prüfen, äußert sich jedoch skeptisch darüber, daß von der Türkei gegebene Sicherheitsgarantien eine seriöse Grundlage bilden könnten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt fest, daß auch PKK-Kämpfer politisches Asyl erhalten können, wenn sie von staatlicher Seite über die Bekämpfung von Straftaten hinaus verfolgt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht
spricht Funktionären der PKK, die persönlich eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik darstellen, den Anspruch auf Asyl ab. FR 03.03.99 // NZ 04.03.99 // SZ 04.03.99 // FAZ 05.03.99 // FR 05.03.99 // FR 06.03.99 // FAZ 31.03.99
Humanitäre Lösung für traumatisierte Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien in Sicht Die Innenminister der Länder halten am Prinzip der vollständigen Rückführung der Bosnienflüchtlinge fest, wollen aber für traumatisierte oder besonders belastete Menschen humanitäre Lösungen zulassen, so daß die Betroffenen noch längere Zeit in Deutschland bleiben können. Damit gehen die Minister auf einen Appell des UNHCR ein. Die in Bosnien aktiven Wohlfahrtsverbände
Caritas und Diakonie warnen vor der Rückkehr von alten, kranken und traumatisierten Menschen sowie von alleinstehenden Frauen mit Kindern, da die Situation vor Ort für diese Gruppen unzumutbar sei. Berlin legt ein neues Rückkehrhilfeprogramm für die ca. 14.000 verbliebenen Bosnienflüchtlinge auf, das eine Starthilfe von 2000 DM für jeden Rückkehrer sowie die gleiche Summe für die aufnehmende Gemeinde in Bosnien vorsieht. Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) schätzt, daß ca. 4.000 Menschen das Angebot in Anspruch nehmen werden. dpa
01.03.99 // taz 06.03.99 // FR 11.03.99
Türkischer Fundamentalist Kaplan in Köln verhaftet Auf Anweisung der Bundesanwaltschaft wird Metin Kaplan, der Vorsitzende des islamischen Verbandes "Kalifatsstaat", in Köln festgenommen. Die Begründung des Generalbundesanwalts lautet: Aufbau einer terroristischen Vereinigung, Gewalt gegen Kritiker in den eigenen Reihen und die Vorbereitung von Anschlägen in der Türkei. Auf Kaplans Festnahme folgen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhängern und der Polizei.
Möglicherweise
wird die Türkei die Auslieferung Kaplans fordern, um ihm wegen Aufrufs zur Bekämpfung der türkischen Regierung und zur Errichtung eines Kalifatsstaats den Prozeß zu machen. SZ 26.03.99 // Welt 27.03.99
Beschneidungen von Mädchen auch in Deutschland Nach Berichten des Ersten Deutschen Fernsehens werden in Deutschland zunehmend Fälle von Genitalbeschneidungen bei meist aus nordafrikanischen Ländern stammenden Mädchen bekannt. Der Sender berichtet über einen Berliner Arzt afrikanischer Herkunft, der den Eingriff für 1200 DM durchführe. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) verurteilt die Beschneidung von Mädchen als Körperverletzung, die nicht durch Religion
oder Tradition zu rechtfertigen sei. Nach Angaben der Frauenorganisation "Terre des Femmes" leben in Deutschland ca. 20.000 Frauen, die bereits in ihrer Heimat beschnitten wurden. dpa 22.03.99 // FAZ 25.03.99
Bundesinnenminister: Europol startet zum 1. Juli Nach einer Tagung der EU-Innen- und Justizminister zeigt sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) optimistisch, daß die europäische Polizeibehörde Europol zum 01. Juli 1999 ihre vollständige Arbeit aufnehmen wird. Die Minister beschließen, das Fingerabdrucksystem Eurodac außer auf Asylbewerber auch auf illegale Einwanderer anzuwenden. Eurodac soll mehrfache Asylanträge verhindern und eine Identifikation des Erstaufnahmelandes ermöglichen,
in welches eine weitergereiste Person dann zurückgeschickt werden kann. NN 13.03.99
Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe im Asylverfahren gefordert Die Deutsche Stiftung für UN-Flüchtlingshilfe spricht sich dafür aus, bei der Prüfung der Asylanträge von Frauen stärker als bisher geschlechtsspezifische Verfolgung zu berücksichtigen. Es sei für Frauen oft nicht möglich, eine zielgerichtete, vom Staat ausgehende Verfolgung nachzuweisen. Die Stiftung weist darauf hin, daß Länder wie die USA, Kanada und Australien Richtlinien für die Prüfung
geschlechtsspezifischer Verfolgung in ihren Asylverfahren erlassen haben. FAZ 06.03.99
Hamburg hilft Opfern von Frauenhandel mit neuer Koordinierungsstelle Das Hamburger Senatsamt für Gleichstellung will Opfer von Frauenhandel in einem neuen Projekt psychosozial betreuen und ihnen Unterkünfte und Rechtsberatung vermitteln. Das Amt spricht von ca. 2.000 ausländischen Prostituierten in der Hansestadt, davon ca. 60 % aus osteuropäischen Ländern. Viele der Frauen seien mit falschen Versprechungen angelockt worden und wollten in ihr Herkunftsland zurückkehren. Die Senatorin für Gleichstellung,
Krista Sager (Grüne) erklärt, die neue Koordinierungsstelle solle ein zusätzliches Angebot neben der Betreuung von Zeuginnen in Prozessen gegen Frauenhandel, die das Landeskriminalamt anbietet, sein. dpa 08.03.99
Kein Ausnahme-Bleiberecht für Bosnier mit festem Arbeitsplatz in Baden-Württemberg Die baden-württembergische FDP scheitert mit dem Vorschlag, bosnischen Arbeitnehmern über eine Ausnahmeregelung ein Bleiberecht zu gewähren. Der Justizminister des Landes, Ulrich Goll (FDP) hatte erklärt, für viele mitelständische Unternehmen seien diese Menschen als Arbeitskräfte unentbehrlich geworden. Dagegen lehnt der Koalitionspartner CDU eine Ausnahmeregelung ab, da damit eine "weitreichende
einwanderungspolitische Öffnungsklausel" verbunden wäre. In Baden-Württemberg leben derzeit noch ca. 11.900 von insgesamt 53.900 aufgenommenen bosnischen Bürgerkriegskriegsflüchtlingen. dpa 07.03.99 // dpa 23.03.99
UNHCR: Asylanträge an Flughäfen "überproportional häufig" abgelehnt Das UNHCR, die Flüchtlingsbehörde der Vereinten Nationen, äußert sich besorgt über die hohen Ablehnungszahlen von Asylanträgen im sogenannten "Flughafenverfahren". Die Organisation fordert, daß die Verwaltungsgerichte auch in Eilverfahren obligatorisch die Glaubwürdigkeit eines Asylsuchenden nach persönlichem Augenschein beurteilen sowie verbindlich prüfen müssten,
ob im Herkunftsland Lebensgefahr bestehe. Die SPD-Fraktion im Bundestag kündigt an, daß die Unterbringung der ohne gültige Papiere Eingereisten innerhalb eines Jahres deutlich verbessert werden solle. FR 22.03.99
Nach Beginn der NATO-Luftschläge: Diskussion über optimale Flüchtlingshilfe In der Nacht zum 25. März beginnt die NATO mit Bombenabwürfen auf militärische und strategische Ziele in der Bundesrepublik Jugoslawien. Die Diskussion in Deutschland konzentriert sich auf die Frage, ob man die flüchtenden Kosovo-Albaner ausschließlich in der Region, also vor allem den Anrainerstaaten Albanien und Mazedonien, humanitär versorgen oder bestimmte Kontingente in EU-Staaten aufnehmen solle.
Deutschland stellt zunächst 27 Mio. DM, die EU-Kommission 20 Mio. DM für die Hilfe vor Ort zur Verfügung. Die Bundesregierung betont, daß man als Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft bei der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen zu raschem Handeln bereit sei, dabei aber auf eine gerechte Lastenverteilung unter den EU-Mitgliedsstaaten Wert lege. Flüchtlingshilfeorganisationen wie Pro Asyl sprechen von einer "humanitären Katastrophe", da Albanien und Mazedonien materiell und infrastrukturell nicht zur Versorgung hunderttausender Menschen fähig seien und zudem
innenpolitisch destabilisiert werden könnten. Unmittelbar vor dem Beginn der NATO-Luftschläge entschied ein britisches Gericht, daß derzeit keine asylsuchenden Kosovo-Albaner, die über Deutschland nach Großbritannien gelangten, nach Deutschland zurückgeschickt werden dürften. Zur Begründung nannten die Richter die geringe Anerkennungsquote dieser Personengruppe im deutschen Asylverfahren. dpa 25.03.99 // dpa 29.03.99 // Welt 29.03.99 // Welt 31.03.99 // FAZ 31.03.99
1998 weniger fremdenfeindliche Straftaten, aber Zulauf bei Rechtsextremisten Aus Jahresstatistiken des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz geht hervor, daß der Anteil von rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten an der politisch motivierten Kriminalität in 1998 gegenüber dem Vorjahr um 4,8 bzw. 10,5 % zurückging. Hingegen waren erheblich mehr politisch motivierte Straftaten von Ausländern zu verzeichnen, was laut Bundesinnenministerium fast ausschließlich
auf eine gesteigerte Anzahl von Landfriedensbrüchen und Verstössen gegen das Versammlungs- und Vereinsgesetz zurückzuführen sei. Besorgt zeigt sich Innenminister Otto Schily (SPD) über die Mitgliederzunahme von 11 % bei rechtextremistischen Parteien und Organisationen. Von den insgesamt 53.600 Migliedern seien 8.200 als gewaltbereit einzustufen. Knapp die Hälfte der Gewalttaten gegen Ausländer wurde in Ostdeutschland registriert, was laut Schily in unmittelbarem Zusammenhang mit der dort hohen Jugendarbeitslosigkeit stehe. Als die dominierenden extremistischen Gruppen von
Ausländern nennt der Verfassungsschutz die türkische islamische Gemeinschaft "Milli Görüs" mit 27.000 und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK mit ca. 12.000 Mitgliedern. Pressemitteilung BMI 03.03.99 // NZZ 04.03.99 // FR 26.03.99
Asylstatistik Im März stellten 7.925 Menschen einen Antrag auf politisches Asyl, eine Zunahme um 8,1ß% gegenüber dem Vormonat und um 9, 9 % im Vergleich zum März 1998. Ca. ein Drittel der Bewerber waren Kosovo-Albaner, ohne daß die Flüchtlingsentwicklung nach dem Beginn der NATO-Luftschläge bisher Auswirkungen zeigte. Es folgen zahlenmäßig Flüchtlinge aus der Türkei, dem Irak und Afghanistan. Die Anerkennungsquote lag bei 3,4 %. Pressemitteilung
BMI 09.04.99
März 1999 | | | | |
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