efms Migration Report
November 1999 | | | | |
Debatte um deutsches Asylrecht Bundesinnenminister Schily (SPD) äußert, dass die derzeitige Zuwanderung Deutschland zu stark belaste und die Zielgenauigkeit des Asylrechts überprüft werden müsse, da von den 100.000 Flüchtlingen, die jährlich nach Deutschland kommen, nur 3% asylwürdig, die restlichen aber "Wirtschaftsflüchtlinge" seien. Seine Äußerungen stoßen auf heftige Kritik von Grünen, Flüchtlingsorganisationen und christlichen Kirchen in Deutschland:
abgesehen davon, dass solche Aussagen feindliche Stimmungen gegen Asylbewerber schürten, liege die Anerkennungsquote von Anträgen laut den Statistiken des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei 3,48%. Rechne man jedoch das "kleine Asyl" ( Umsetzung des Abschiebeschutzes in Anlehnung an die Genfer Flüchtlingskonvention) und die Zahl der geduldeten Personen hinzu, würden faktisch über 10% der Antragsteller einen Aufenthaltstitel bekommen. Schily überlegt weiter, ob das deutsche Asylrecht im Zuge der europäischen Harmonisierung
auf lange Sicht Bestand haben werde. Laut Antonio Vittorino, EU-Justizkommissar geht die europäische Harmonisierung von Mindestnormen auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention aus. Darüber hinaus könnten die EU-Staaten jedoch ihr eigenes Asylrecht behalten und entwickeln. Schily zufolge sollte die Genfer Flüchtlingskonvention "das Recht im Asyl" nicht das "Recht auf Asyl" regeln. Kritiker befürchten, der Innenminister strebe eine Umwandlung des einklagbaren Rechts auf Asyl in ein Gnadenrecht an, das die historischen Erfahrungen Deutschlands, in denen das Grundrecht auf Asyl wurzelt,
nicht berücksichtigt. SZ 28.10.99 // Par 5.11.99 // Welt 5.11.99 // SZ 6./7.11.99 // NN 8.11.99 // NZ 9.11.99 // FR 11.11.99 // Tagesspiegel 12.11.99 // FAZ 13.11.99 //Welt 13.11.99 // Spiegel 15.11.99 // Spiegel 22.11.99 // FR 30.11.99
Einigung bei der Altfall- und Härtefallregelung von Asylbewerbern erzielt Die Innenminister des Bundes und der Länder einigen sich am 19. November in Görlitz auf eine Altfallregelung für abgelehnte Asylbewerber: Familien mit minderjährigen Kindern, die seit dem 1. Juli 1993 in Deutschland leben und kinderlose, alleinstehende Flüchtlinge, die sich seit dem 1. Januar 1990 in Deutschland aufhalten, bekommen eine auf zwei Jahre befristete, aber verlängerbare Aufenthaltsbefugnis. Bedingung ist, dass die Flüchtlinge
keinen Anspruch auf Sozialhilfe oder ergänzende Sozialhilfe haben, den Lebensunterhalt der gesamten Familie durch legale Erwerbstätigkeit bestreiten, ausreichend großen Wohnraum nachweisen, nicht strafbar geworden sind und dass schulpflichtige Kinder eine Schule besuchen. Auch Personen, die aus Gründen, die sie nicht selbst zu verantworten haben, nicht ausreisen konnten, bekommen nach der Härtefallregelung Aufenthaltsrecht. Die Regelung bezieht Vietnamesen mit ein, die größtenteils ehemalige Vertragsarbeiter der DDR sind. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina
und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens sind ausgenommen. Insgesamt betrifft die Regelung ca. 20.000 Personen. Im Gegenzug setzt die CDU den Einsatz einer Arbeitsgruppe durch, die eine schnellere Rückführung abgelehnter Asylbewerber bewirken soll. FR 17.11.99 // SZ 19.11.99 //Welt 19.11.99 // SZ 20.11.99 // Welt 20.11.99
Rückführung von Kosovo-Flüchtlingen Nach einem Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern wird ab Frühjahr 2000 in großem Umfang mit der zwangsweisen Rückführung der in Deutschland verbleibenden Kosovo-Flüchtlinge begonnen. Davon betroffen sind größtenteils die Flüchtlinge, die als abgelehnte Asylbewerber in Deutschland leben. Die Flüchtlinge sollen dann auch kein Überbrückungsgeld mehr erhalten. Nachdem im November zum ersten
Mal seit Ende des Krieges ein straffälliger Kosovo-Albaner aus Bayern abgeschoben wird, kündigt Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CDU) weitere Abschiebungen von Straftätern, aber auch Angehörigen von Straftätern und Sozialhilfeempfängern an. Das Nothilfekommitee Cap Anamur dagegen warnt, dass vielen Bewohnern des Kosovo der Kältetod drohe. Die auf der Balkan-Konferenz in Sarajewo im Juli vergangenen Jahres versprochenen finanziellen Hilfen könnten erst im April/ Mai kommenden Jahres ausgegeben werden. Bisher sind 13.000 Flüchtlinge aus Deutschland
nach Kosovo zurückgekehrt. Spiegel 8.11.99 // SZ 8.11.99 // taz 8.11.99 // FR 11.11.99 // FR 13.11.99 // NZ 13.11.99 // SZ 20.11.99
Gesetzesentwurf: Zugriff von Behörden auf Ausländerzentralregister Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bringt einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein, nach dem Polizei- und andere Behörden Zugriff auf das Ausländerzentralregister bekommen sollen, um Schleusertum, illegale Einwanderung und Leistungsmissbrauch zu bekämpfen. Zudem soll eine Warndatei für auffällige Ausländer eingerichtet werden. Bundesinnenminister Schily (SPD) spricht sich für eine vorurteilsfreie Diskussion der
Vorschläge
ohne "Denkverbote" aus, während SPD-Abgeordneter Eckhardt Barthel eine Überprüfung der bestehenden Möglichkeiten anrät und vor dem Entstehen von "Bürgern zweiter Klasse" warnt dpa 5.11.99 // FR 5.11.99
Abschaffung des Flughafenverfahrens für minderjährige Asylbewerber gefordert Die Grünen und Pro Asyl fordern, dass unbegleitete minderjährige Asylsuchende vom Flughafenverfahren ausgenommen werden und nicht in den seit 1. November 1999 speziell eingerichteten Räumen des Frankfurter Flughafens "interniert" werden bis ihre Verfahren abgeschlossen sind. Zudem sei die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge so gering, dass nun die UN-Kinderrechtskonvention vollständig ratifiziert
werden könne. Innenminister Schily (SPD) hält dies nicht für sinnvoll und strebt auch keine Veränderung des Flughafenverfahrens an: Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sei deshalb so gering, weil Deutschland "restriktive Signale" in die Welt sende. Die Unterbringungsmöglichkeiten aber sollen nach Schilys Aussagen verbessert werden. SZ 5.11.99 // FR 8.11.99 // Spiegel 15.11.99 // FR 19.11.99
Kritik an Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes Die Landesregierungen Baden-Württembergs und Hessens wollen die Bundesregierung auffordern, die Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes von 1997 zurückzunehmen. Danach sollen Asylbewerber, die seit drei Jahren in Deutschland leben, ab dem 1. Juni 2000 den gleichen Sozialhilfesatz erhalten wie Deutsche, um eine bessere Integration zu ermöglichen. In den ersten drei Jahren liegen die Grundleistungen 20% unter dem Sozialhilfesatz. Nach Meinung der
CDU-/FDP-Landesregierungen reichen die jetzigen Leistungen aus; es dürften nicht Teile der Asylbewerber privilegiert werden. Durch Anheben der Leistungen würden den Asylbewerbern falsche Signale gesetzt, die als Anreizwirkung für die Verschleppung der Asylverfahren verstanden werden könnten. Spiegel 1.11.99 // dpa 2.11.99 // FAZ 3.11.99 // SZ 3.11.99
Antrag auf Arbeitserlaubnis für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge nach zwei Jahren Das Bundesarbeitsministerium gibt bekannt, dass in Zukunft Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge bereits nach zwei Jahren einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen können und nicht wie bisher erst nach vier bis sechs Jahren. Zuvor hatten die Ausländerbeauftragten der Länder eine "Entrümpelung des Arbeitserlaubnisrechts" gefordert: es sei widersinnig, Menschen vom Arbeitsmarkt fernzuhalten und gleichzeitig Integration
fördern zu wollen. Zudem würde eine Reform den Arbeitsmarkt entbürokratisieren und den Verwaltungsaufwand verringern. FAZ 10.11.99 // FAZ 22.11.99
Europäisches Parlament stimmt zentraler Datenbank Eurodac zu Das Europäische Parlament stimmt der Einrichtung einer zentralen Datenbank Eurodac zu, an die die Mitgliedstaaten Fingerabdrücke aller Asylbewerber und illegaler Einwanderer übermitteln sollen. Durch Vergleich der Fingerabdrücke könnten Mehrfachanträge aufgedeckt werden. Die Daten von Asylbewerbern sollen zehn, die von illegalen Einwanderern zwei Jahre gespeichert werden. Das Mindestalter für die Abnahme von Fingerabdrücken
wird voraussichtlich bei 14 Jahren liegen. SZ 19.11.99
Hochschulen und Städte fordern bessere Studienbedingungen für Ausländer Hochschulen und Städte fordern bessere Studien- und Aufenthaltsbedingungen für Ausländer in Deutschland: Die Zulassungsverfahren sollten verkürzt werden, Möglichkeiten der Studienfinanzierung sollten besonders für Drittstaatsangehörige geschaffen werden, die erschwerten Zugang zu Studentenjobs haben. Auch müsse die Aufgeschlossenheit deutscher Studenten gegenüber ausländischen Studierenden
gefördert werden. Eine größere Zahl ausländischer Studenten sollte als Wirtschaftsfaktor nicht unterschätzt werden dpa 4.11.99
Aussiedlerstatistik Im November 1999 wurden 11.595 Personen als Spätaussiedler in Deutschland registriert. Im gleichen Monat des Vorjahres waren es 8.973 Personen. Pressemitteilung BMI 2.12.99
Asylstatistik Im November 1999 haben 7 476 Personen in Deutschland Asyl beantragt. Damit hat sich der Zugang gegenüber dem Vormonat (7.505 Personen) nicht wesentlich verändert. Im Vergleich zum November 1998 sank die Anzahl der Asylbewerber erheblich um 31,3% (3.407 Personen). Aus der Bundesrepublik Jugoslawien kamen diesen Monat mit 1.410 Personen erneut weniger Asylbewerber als im Vormonat (1.733). Die Anerkennungsquote bei abgeschlossenen Verfahren lag bei 1,5% (293 Personen). In Anlehnung an die Genfer
Flüchtlingskonvention wurde 2,8% (537 Personen) Abschiebeschutz gewährt. Pressemitteilung BMI 5.12.99
November 1999 | | | | |
|